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Fluchtversuch des Halle-Attentäters

Ministerium: Gefängnisleitung hat eigenmächtig Sicherheitsregeln geändert

Der Attentäter von Halle hätte laut Ministerium von drei Bediensteten in der JVA beaufsichtigt werden müssen. Die Anstalt änderte eigenmächtig die Sicherheitsregeln. Am Ende war Stephan B. sogar völlig unbeaufsichtigt unterwegs.

Mittwoch, 10.06.2020, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.06.2020, 19:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mehrere Verstöße in der JVA Halle haben nach Auskunft von Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) den Fluchtversuch des Attentäters von Halle begünstigt. Der Gefangene hätte laut Erlass des Ministeriums bei seinem Aufenthalt im Freien ständig durch drei Bedienstete beaufsichtigt werden müssen, sagte Keding am Dienstag in Magdeburg. Gegen diese Regelung sei am Pfingstsamstag eindeutig verstoßen worden. Laut Keding werden nun disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen Personal in der JVA Halle geprüft.

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Weil sich der Untersuchungsgefangene unauffällig und angepasst verhalten habe, seien die Sicherheitsvorschriften von der Anstalt eigenmächtig gelockert worden, sagte die Ministerin. Dies sei allerdings durch das Ministerium nicht genehmigt worden. Die JVA habe sich auf ein Telefonat mit dem Ministerium berufen, eine dafür notwendige schriftliche Genehmigung sei jedoch nicht erteilt worden. Stephan B. habe dann nach den gelockerten Sicherheitsvorschriften bei seinem Freigang auch keine Handfessel mehr tragen müssen. Zwei statt drei Bedienstete sollten ihn bewachen.

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Völlig unbeaufsichtigt

Fünf Minuten lang konnte sich Stephan B. jedoch am Pfingstsamstag völlig unbeaufsichtigt frei in der Anstalt bewegen. Er überwand in dieser Zeit in einem Hof, in dem er sich für einen einstündigen Freigang aufhalten durfte, innerhalb von 26 Sekunden einen 3,40 Meter hohen Zaun, versuchte einen Kanaldeckel anzuheben und lief in ein Gebäude, dessen Türen offen standen. Die Türen in der JVA seien jedoch ständig geschlossen zu halten, betonte Keding. Eine Flucht durch die Kanalisation wäre nicht möglich gewesen, der Gullydeckel, den der Gefangene anheben wollte, verschließe ein Rohr mit geringem Durchmesser.

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Stephan B. wurde außerhalb seines kameraüberwachten Haftraumes im Freien zunächst von zwei, dann von einem und schließlich von keinem Bediensteten mehr beaufsichtigt. Dies stehe in klarem Widerspruch zu den getroffenen Anordnungen, betonte Keding. Eine Bedienstete schaute nur sporadisch nach Stephan B., ein weiterer Bediensteter sei zu anderen Gefangenen auf einem anderen Hof gegangen. Die Bedienstete habe zudem Malerarbeiten von Gefangenen beaufsichtigt. Der Anordnung zufolge hätte es allerdings zu diesem Zeitpunkt dort „keine Gefangenenbewegung“ geben dürfen, so Keding.

Technische Störung

Zudem soll es eine Störung der Zellenkommunikationsanlage gegeben haben, um dessen Beseitigung sich die Sicherheitszentrale zugleich kümmern musste, die sonst die Übertragungen von 37 Überwachungskameras im Blick hat. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Störung in dem Zeitraum des Fluchtversuchs vorsätzlich verursacht worden sei, um etwa dem Terrorverdächtigen zur Flucht zu verhelfen.

Keding bedauerte, dass es zu dem Fluchtversuch kommen konnte. „Dadurch wurden wieder Angst und Schrecken bei den Hallensern, insbesondere bei den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde wachgerufen. Das tut mir sehr leid und dafür möchte ich auch um Entschuldigung bitten.“ Zugleich betonte sie, dass nie die reale Möglichkeit eines Ausbruchs aus der JVA bestanden habe.

Stephan B., der wegen des rassistischen und antisemitischen Anschlags vom 9. Oktober 2019 in Halle des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes an 68 Menschen beschuldigt wird, wurde nach seinem Fluchtversuch von Halle in die JVA Burg verlegt. Er muss nun unter anderem bei jedem Aufenthalt im Freien an den Händen gefesselt sein. (epd/mig) Aktuell Panorama

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