Nebenan
Raum zum Atmen
Ich bin nicht schwarz, ich war's auch nie. Ich bin auch nie in einer Zelle verbrannt, oder wurde angeschossen. Deshalb bin ich besser darin, wütend zu sein als emphatisch.
Von Sven Bensmann Dienstag, 16.06.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.06.2020, 10:08 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Ich weiß, was Sie jetzt erwarten. Noch eine Meinung zu Black Lives Matter, zum Tode von George Floyd, zum Alltagsrassismus durch Zivilisten und Polizisten, vielleicht auch zu Rayshard Brooks. Aber die Wahrheit ist: Ich bin nicht schwarz, ich war’s auch nie.
Ich habe daher auch nie overpolicing oder racial profiling erlebt. So fremd ich mich oft auch in diesem Land fühle, man sieht mir das nunmal nicht unbedingt an. Ich weiß also nicht, wie sich das anfühlt und werde das wohl auch nie.
Ich bin auch nie in einer Zelle verbrannt, weil ich mich an allen Extremitäten fixiert mit Benzin übergossen und dann angezündet habe – oder was auch immer die Theorie der Polizei ist. Man hat nie wegen eines 20-Euro-Scheins oder wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss auf mich geschossen. So sieht das Vorrecht der Weißen in diesem Lande – und vielen anderen Ländern – eben aus.
Dazu ist wahr: Viele Menschen haben sich mit wuchtigen, emotionalen Statements ausgezeichnet. Ich bin dagegen zugegebenermaßen immer besser darin gewesen, wütend zu sein als empathisch. Und das ist natürlich auch in gewisser Weise ein weißes Privileg: für einen Schwarzen wäre das sicher gefährlicher. Außerdem brauchen wir jetzt keine überflüssige Diskussion, ob der Rassismus in dieser Gesellschaft und seinen Repressionsorganen nun latent oder systemisch ist, um nicht über den Rassismus selbst reden zu müssen.
Nur: Das Bild des älteren Stuttgarter Herren der im Rahmen der Demo gegen den dortigen Bahnhof seinen ersten Kontakt mit einem Wasserwerfer hatte, ging 2010 durch alle Medien und die meisten dürften sich noch heute daran erinnern. Dass jedoch letztes Jahr Amad Ahmad unschuldig inhaftiert in seiner Zelle verbrannte, das hat wer genau mitbekommen?
Aktuell tut sich immerhin ein bisschen was. Derzeit kommen farbige Stimmen in Deutschland zu Wort, die sonst niemanden interessieren. Da ist es nur angemessen, dass ich heute schweige. Meinung
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