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Fragen und Antworten

Worum geht es im Prozess um den Mordfall Lübcke?

Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einem Jahr hat die Debatte um den Rechtsterrorismus in Deutschland neu entfacht. Heute beginnt der Prozess. MiGAZIN beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Dienstag, 16.06.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 15.06.2020, 15:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Dienstag, 16. Juni, vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Prozess gegen Stephan E. (46) und Markus H. (44). Die beiden für ihre rechtsextremistische Gesinnung bekannten Nordhessen müssen sich für den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor fast genau einem Jahr verantworten. Erneut steht nach dem Münchener NSU-Prozess die Frage nach einem rechtsextremistischen Terrornetzwerk im Raum. Bis Ende Oktober sind 32 Verhandlungstage vorgesehen.

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Was wird Stephan E. und Markus H. vorgeworfen?

Stephan E. soll am 1. Juni 2019 um 23.20 Uhr Walter Lübcke auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen-Istha bei Kassel in den Kopf geschossen haben. Die Anklage lautet auf Mord. Außerdem wird Stephan E. vorgeworfen, am 6. Januar 2016 in Lohfelden bei Kassel einen aus dem Irak stammenden Flüchtling niedergestochen zu haben. In diesem Fall lautet die Anklage auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung. Darüber hinaus soll Stephan E. gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen haben. Dem Angeklagten Markus H. wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Er soll Stephan E. durch die gemeinsame Teilnahme an rechtsextremen Demonstrationen und durch gemeinsame Schießübungen in seinem Tatentschluss bestärkt haben. Auch ihm wird ein Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt.

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Warum sollen die Angeklagten den Regierungspräsidenten getötet haben?

Beide Angeklagten sollen nach Aussage der Bundesanwaltschaft aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung gehandelt haben. Stephan E. und Markus H. hatten am 14. Oktober 2015 gemeinsam eine Bürgerversammlung mit Walter Lübcke in Lohfelden besucht, auf der es um die dort geplante Unterbringung von Flüchtlingen ging. Lübcke sagte nach störenden Zwischenrufen, wer Werte nicht vertrete, könne jederzeit das Land verlassen. Ein kurzes Video von der Kontroverse auf der Bürgerversammlung wurde auf Youtube hochgeladen und verbreitete sich schnell, Lübcke wurde zur Zielscheibe fremdenfeindlichen Hasses. Auch Stephan E. soll seinen Hass auf Fremde und die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung auf den Regierungspräsidenten projiziert haben.

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Wie wurden die Angeklagten gefasst?

Stephan E. wurde am 15. Juni festgenommen. Er wurde aufgrund kriminalistischer Spürarbeit überführt – der Fund von Hautteilen auf der Kleidung des Toten mit der DNA des Angeklagten brachte die Polizei auf dessen Spur. Stephan E. war zeitweilig NPD-Mitglied und ein dem Verfassungsschutz vertrauter Teilnehmer von rechtsextremistischen Aufmärschen. Sein Vorstrafenregister umfasst mehrere Körperverletzungen. Wegen eines versuchten Bombenanschlags auf eine Asylbewerberunterkunft 1993 und versuchtem Totschlag erhielt er eine Jugendstrafe von sechs Jahren Gefängnis. Markus H. wurde am 26. Juni festgenommen, auch er ein bekannter Rechtsextremist und Freund von E. Pikant ist, dass er sich 2015 eine Waffenbesitzkarte vor Gericht erstreiten konnte.

Gab es Geständnisse?

Stephan E. gestand zunächst, Lübcke erschossen zu haben und führte die Polizisten zu einem Waffenversteck mit acht Schusswaffen einschließlich der Mordwaffe, einem Revolver der Marke Rossi. Er belastete auch Markus H. Nach dem Wechsel seines Rechtsanwalts widerrief er das Geständnis und beschuldigte Markus H., bei der Tat dabei gewesen zu sein und mit E.s Waffe versehentlich einen Schuss auf den Regierungspräsidenten abgegeben zu haben. Die Bundesanwaltschaft hält ihre Anklage aufrecht, dass Stephan E. der Täter gewesen sein soll.

Warum steht der hessische Verfassungsschutz in der Kritik?

Nach der Festnahme von E. erklärte der Verfassungsschutz, dass über den Verdächtigen seit 2009 keine Erkenntnisse mehr vorlägen. Der Fall sei „abgekühlt“. Tatsächlich hatte E. aber danach weiter an rechtsextremen Demonstrationen teilgenommen, so 2018 mit H. und anderen Rechtsextremisten an einer AfD-Kundgebung in Chemnitz.

Wer nimmt am Prozess teil?

Insgesamt gibt es nach Angaben des Gerichts rund 25 Prozessbeteiligte. Als Ankläger treten neben der Bundesanwaltschaft vier Nebenkläger auf, die Frau und die beiden Söhne Lübckes sowie der irakische Flüchtling, den E. niedergestochen haben soll. Die beiden Angeklagten werden jeweils von zwei Verteidigern begleitet. Stephan E. wird von dem in Pegida-Kreisen bekannten Dresdener Rechtsanwalt Frank Hannig vertreten sowie von dem Kölner Rechtsanwalt Mustafa Kaplan, der ein Opfer im NSU-Prozess vertrat und ebenso den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen den TV-Entertainer Jan Böhmermann. Neben dem Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel leiten vier weitere Richter und zwei Ergänzungsrichter das Verfahren. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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