Fragen und Antworten
Neuer Anlauf in der EU-Flüchtlingspolitik
Die Zahl der entdeckten "illegalen Grenzübertritte" ist zuletzt wieder gestiegen. Vor diesem Hintergrund will die EU-Kommission die Regeln für Asyl und Migration reformieren. Das Thema entzweit die Mitgliedsstaaten seit Jahren. Ein Überblick mit Fragen und Antworten.
Von Phillipp Saure Freitag, 19.06.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 23.06.2020, 10:15 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Auch wenn die Corona-Krise sie aus den Schlagzeilen verdrängt hat: Weiter suchen Flüchtlinge und Migranten Aufnahme in Europa. Und weiter ist die EU uneins, wie mit den Menschen umzugehen ist. Die EU-Kommission will deshalb einen frischen Start. In ihren im Sommer 2019 präsentierten politischen Leitlinien kündigte die neue Chefin Ursula von der Leyen „einen neuen Migrations- und Asylpakt“ an. Die Vorschläge sind laut Arbeitsprogramm der Behörde bis Ende Juni fällig. Die Corona-Krise hat aber schon den Zeitplan anderer Dossiers durcheinandergebracht. Ein Sprecher erklärte diese Woche, die Asyl-Pläne stünden „bald“ an.
Was geschah in den vergangenen Jahren?
Die EU hadert und ringt spätestens seit der Flüchtlingskrise von 2015 mit ihren Regeln für Asyl und Migration. Im Mai und Juli 2016 präsentierte die Kommission unter Jean-Claude Juncker ein Reformpaket. Herzstück war eine Neufassung der Dublin-Verordnung. Der Verordnung gemäß hat sich in der Regel der Staat der ersten Einreise um Asylbewerber zu kümmern. Die Neufassung wollte die Verantwortung gleichmäßiger verteilen. Bei einer übergroßen Zahl an Asylbewerbern in einem EU-Land wären Bewerber auf die anderen Länder umverteilt worden.
Warum ist die Reform steckengeblieben?
Das Europarlament bearbeitete die Kommissions-Vorschläge und strich dabei das Ersteinreise-Kriterium komplett. Es wollte also ebenfalls eine Umverteilung von Flüchtlingen. Allerdings ist das Parlament nur einer der beiden Gesetzgeber der EU neben dem Rat. Im Rat versammeln sich die europäischen Regierungen. Die konnten sich aber schon untereinander auf keine gemeinsame Position und daher auch nicht mit dem Parlament einigen. Hauptstreitpunkt war die Umverteilung – einige Regierungen wie die ungarische unter Viktor Orban sperrten sich nachdrücklich dagegen.
Was wird heute diskutiert?
Inzwischen hat sich die Diskussion verlagert. Wichtige Akteure wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) richten ihr Augenmerk stärker auf die EU-Außengrenzen. Die Idee: Die Menschen werden schon dort einem Asylverfahren beziehungsweise einer sogenannten Vorprüfung unterzogen, die Anträge würden in beschleunigter Weise bearbeitet. Abgelehnte Bewerber würden direkt abgeschoben. Mit Blick auf die Aufnahme der übrigen Menschen, also der Schutzberechtigten, sind zudem schon lang Alternativen im Gespräch, etwa dass aufnahmeunwillige Staaten wie Ungarn Geld bezahlen. Entwicklungsländer wiederum könnten auf EU-Zahlungen hoffen, damit sie ihre Bürger schneller wieder zurücknehmen und deren Perspektiven verbessern.
Was spricht gegen den Ansatz?
Die EU hat auch im Pakt mit der Türkei versucht, Asylbewerber beschleunigt zurückzuschicken, in dem Fall aus Griechenland. Das gelang nur teilweise. Die Verfahren dauerten länger als geplant und Schutzsuchende, darunter Kranke und Kinder, müssen seit Jahren in überfüllten Lagern hausen. Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl und andere Akteure wie das Brüsseler Büro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) befürchten, dass das neue System den Zugang zu regulären Asylverfahren versperren und zu neuen Menschenrechtsverletzungen und der Ausweitung von Haft in menschenunwürdigen Lagern führen könnte. Auch ob nach ablehnenden Entscheidungen an der Grenze ausreichend Rechtsschutz gewährt würde, ist nach ihrer Ansicht mehr als zweifelhaft.
Wie geht es weiter?
Sobald die Kommission ihre Pläne vorgelegt hat, werden Europaparlament und Rat sie besprechen. Dabei kommt Deutschland im Rat eine besondere Rolle zu, weil es am 1. Juli für ein halbes Jahr den rotierenden Vorsitz übernimmt. Der Vorsitzende soll als „ehrlicher Makler“ agieren. Deutschlands eigene Interessen dürften aber ebenfalls Gewicht haben, schon weil es das größte Mitgliedsland ist. (epd/mig) Aktuell Politik
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