Fleischindustrie
Laschet korrigiert Aussage über rumänische und bulgarische Arbeiter
Nach den Corona-Masseninfektionen in einem Tönnies-Schlachthof kündigt Bundesarbeitsminister Heil zügige Umsetzung des Arbeitsschutzprogramms für die Fleischindustrie an. Laschet gerät nach umstrittener Äußerung über ausländische Arbeitnehmer in Kritik und korrigiert Aussage.
Freitag, 19.06.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.06.2020, 22:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Politiker und Gewerkschaften fordern nach der Corona-Masseninfektion in einem Schlachtbetrieb im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück schärfere Arbeitsregelungen in der Fleischindustrie. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, mit Hochdruck das Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft umzusetzen. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) forderte eine Haftungspflicht von Schlachthofbesitzern gegenüber Werkvertragsarbeitern. Unterdessen stellte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach scharfer Kritik seine umstrittene Äußerung zur möglichen Herkunft des Virus in dem Tönnies-Schlachthof klar.
Heil sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“, bei der Umsetzung des Arbeitsschutzprogramms in der Fleischwirtschaft werde er sich von lauten Lobbyinteressen nicht bremsen lassen: „Wir werden hier aufräumen und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen sorgen.“ Zur Umsetzung des im Mai beschlossenen Arbeitsschutzprogramms gehörten verpflichtende Kontrollen durch die Länder, eine digitale Arbeitszeiterfassung und das Verbot von Werkverträgen.
NRW-Arbeitsminister Laumann forderte im WDR-Radio eine „restriktive Gesetzesüberarbeitung“. Jeder Besitzer eines Schlachthofs müsse auch für die Werkvertragsarbeiter und ausländische Beschäftigte haften. Die Gewerkschaft ver.di kritisierte unzureichende Hygienepläne, die Gewerkschaft Nahrungs-Genuss-Gaststätten (NGG) verlangte ein umgehendes Verbot von Werkverträgen. Auch der Sozialverband VdK machte sich für ein Ende von Leiharbeit und Werkverträgen stark. Sie ermöglichten es den Fleischkonzernen, Mitarbeiter zu rumänischen Mindestlöhnen und Sozialstandards zu beschäftigen.
Laschet korrigiert Aussage
NRW-Ministerpräsident Laschet korrigierte nach Kritik von mehreren Seiten seine Äußerung vom Mittwoch, das Coronavirus sei in einen Tönnies-Schlachthofe geraten, „weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind“. „Menschen gleich welcher Herkunft irgendeine Schuld am Virus zu geben, verbietet sich“, sagte Laschet in Düsseldorf. „Mir ist wichtig klarzumachen, dass das für mich wie für die gesamte Landesregierung selbstverständlich ist.“
Hier der komplette O-Ton von Armin Laschet zum Fall #toennies. pic.twitter.com/GLu4hToaU6
— Nicole Diekmann (@nicolediekmann) June 17, 2020
Laschet hob zugleich hervor, dass die Lockerungen von Corona-Beschränkungen „nicht ursächlich für die lokal aufgetretenen Neuinfektionen in dem Schlachtbetrieb im Kreis Gütersloh“ seien. Es gebe eine Vielzahl von Risiken für die Verbreitung von Viren, dazu gehörten auch die Bedingungen und die Form des Reiseverkehrs innerhalb Europas. Offene Grenzen und ein europäischer Arbeitsmarkt seien gewünscht, das Virus mache jedoch an Grenzen nicht halt.
Kurschus: Schuldzuweisungen schüren Ressentiments
Der SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, hatte Laschet aufgefordert, sich für diese Äußerung zu entschuldigen. Auch die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, hatte „die politisch Verantwortlichen“ zu Sorgfalt und Besonnenheit bei der Suche nach den Ursachen des Corona-Ausbruchs in dem Fleischbetrieb aufgerufen. „Es darf nicht sein, dass bestimmte Menschen von vornherein für schuldig erklärt und an den Pranger gestellt werden.“
Kurschus erklärte, einseitige und voreilige Schuldzuweisungen schürten Ressentiments und gefährdeten den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Ursachen für die zahlreichen Neuinfektionen könne bislang niemand eindeutig benennen. Die Vermutung, osteuropäische Werksarbeiter hätten das Coronavirus „eingeschleppt“, halte sie daher „für eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt unzulässige Spekulation“, betonte Kurschus. Sie entbehre jeglicher belastbaren Sachgrundlage und verunglimpfe ausländische Arbeitskräfte.
Eltern protestieren
Der Kreis Gütersloh hatte die Anlieferung an das Tönnies-Betriebsgelände am Mittwoch gestoppt. Das dort gelagerte Fleisch wird aber noch verarbeitet und an Supermärkte ausgeliefert. Die Schließung könne bis zu zwei Wochen dauern, hieß es. Bis Donnerstag wurde nach Angaben des Kreises bei mehr als 730 Mitarbeitern des Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt.
Vor dem Betriebsgelände kam es zu Protesten von Eltern. Sie äußerten ihren Unmut darüber, dass das Unternehmen weiterarbeite während Schulen und Kitas umgehend geschlossen wurden. (epd/mig) Aktuell Politik
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