„Kniefall vor Rechtspopulisten“
Polizei erforscht Stammbaum von Tatverdächtigen nach Migration
Die Polizei in Stuttgart erforscht die Abstammung von Tatverdächtigen nach den Krawallen Ende Juni nach einem möglichen Migrationshintergrund. Das stößt auf Kritik. Oppositionspolitiker sprechen von einem „Kniefall vor Rechtspopulisten“. Rückendeckung erhält die Polizei von Innenminister Srobl.
Montag, 13.07.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.07.2020, 20:40 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Stuttgarter Polizei steht wegen Ermittlungen zum Migrationshintergrund von Tatverdächtigen nach den Krawallen von Ende Juni in der Kritik. Der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Stammbaumforschung ist Rassismus pur und ein Skandal, der umgehend gestoppt werden muss.“ Kritik kam auch von Grünen und SPD. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck mahnte: „Schon der Verdacht, dass die Polizei Menschen nach Herkunft oder Aussehen unterschiedlich behandelt, schadet ihrem Ansehen.“ Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) verteidigte das Vorgehen.
Die Feststellung der Lebens- und Familienverhältnisse sei Teil der polizeilichen Ermittlungen, erklärte Strobl, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, am Sonntag. Dazu werde „in einzelnen Fällen die Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen durch Anfragen beim Standesamt erhoben, um zu klären, ob ein Migrationshintergrund gegeben ist“.
Polizei kritisiert Bezeichnung „Stammbaumforschung“
Am Donnerstagabend hatte Polizeipräsident Franz Lutz im Stuttgarter Gemeinderat angekündigt, dass auch bei den Tatverdächtigen mit deutschem Pass deutschlandweit die Abstammung recherchiert werde. Anlass sind die gewaltsamen Ausschreitungen von 400 bis 500 meist jungen Männern am 21. Juni in Stuttgart.
Strobl und die Stuttgarter Polizei erklärten, es sei nicht korrekt, die Abfrage der Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen als „Stammbaumforschung“ zu bezeichnen. Für eine strafrechtliche Aufarbeitung und eine mögliche spätere justizielle Sanktionierung müssten alle persönlichen Umstände der Tatverdächtigen einbezogen werden, betonte die Polizei. Beim überwiegenden Teil der identifizierten Personen handle es sich um Jugendliche und Heranwachsende. Insbesondere bei dieser Altersgruppe stünden Präventionsmaßnahmen im Vordergrund.
Strobl: Verlässliche Informationen für die Öffentlichkeit
Der Innenminister erklärte weiter, es gehe auch darum, geplante Präventionsmaßnahmen „maßgeschneidert umzusetzen“. Nicht zuletzt sollten für die Öffentlichkeit „eindeutige und verlässliche Informationen“ kommuniziert werden. Dazu könne auch die Herkunft bei Tatverdächtigen gehören, sagte Strobl.
Das Vorgehen der Polizei wurde bundesweit kritisiert. „Das verstört mich nachhaltig“, schrieb die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Samstag auf Twitter. Der Grünen-Vorsitzende Habeck erklärte, es sei wichtig, die Hintergründe der Gewalttaten von Stuttgart aufzuklären. „Wir müssen wissen, wie es dazu kam und wie sich so etwas zukünftig verhindern lässt“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“. „Wenn es jedoch stimmt, dass die Stuttgarter Polizei dafür ‚Stammbaumrecherche‘ betreiben will, wäre das in keinster Weise akzeptabel.“
Mihalic: Kniefall vor Rechtspopulisten
Der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Der Polizeipräsident sollte schnell eingestehen, dass er keinen guten Tag hatte, als der den skurrilen Vorschlag gemacht hat und ihn sofort aus der Welt schaffen.“ Der „Stammbaum-Vorschlag“ gehöre zu den Dingen, „die den türkischen oder kroatischen Nationalisten oder Islamisten die Jugendlichen in Scharen in die Arme treiben“.
Auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem RND: „Das ist ein Kniefall vor Rechtspopulisten und führt uns in ein ganz gefährliches Fahrwasser“. (epd/mig) Leitartikel Politik
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