Interview mit Giorgina Kazungu-Haß
„Mit Anti-Rassismus-Kampagnen bekämpfen wir nur Symptome“
Die SPD-Politikerin Giorgina Kazungu-Haß ist seit 2016 die erste Schwarze Abgeordnete im rheinland-pfälzischen Landtag. Im Gespräch berichtet die Tochter einer Deutschen und eines Kenianers, wie sie die Diskussion um Rassismus in Deutschland empfindet.
Von Karsten Packeiser Donnerstag, 16.07.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 15.07.2020, 16:23 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Frau Kazungu-Haß, nach den Massenprotesten in den USA ist auch in Deutschland in den vergangenen Wochen sehr viel über Rassismus diskutiert worden. Wie haben Sie das erlebt?
Giorgina Kazungu-Haß: Die Debatte hätte spätestens seit dem Anschlag in Hanau viel intensiver geführt werden müssen. Für diejenigen, die davon betroffen sind, schwingt Rassismus immer in ihrem Leben mit. Es ist eine Last, von der sie sich durch ihr eigenes Verhalten nicht befreien können. Es ist gut, dass wir jetzt konstruktiv über das Thema sprechen, auch im Landtag. Aber mit Anti-Rassismus-Kampagnen bekämpfen wir nur die Symptome, als würde man gegen eine ernste Krankheit immer nur Schmerztabletten verschreiben. Wir müssen auch an die Gesetze rangehen. Ich persönlich fände es außerdem wichtig, dass es auf Länder- und Bundesebene Anti-Rassismus-Beauftragte gibt.
Was bedeutet Rassismus für Ihr Leben, und ist es schlimmer geworden, seit Sie Abgeordnete sind?
„Als Kind bin ich nie in die Sonne gegangen und fand es total verrückt, dass sich weiße Menschen freiwillig ins Solarium legen. Ich dachte: Wieso wollen die denn jetzt auch schwarz sein? Das bringt doch nur Nachteile!“
Giorgina Kazungu-Haß: Als Kind bin ich nie in die Sonne gegangen und fand es total verrückt, dass sich weiße Menschen freiwillig ins Solarium legen. Ich dachte: Wieso wollen die denn jetzt auch schwarz sein? Das bringt doch nur Nachteile! Heute gibt es viel mehr Gelegenheiten als früher, negativ auf mich zu reagieren. Da waren die ersten Jahre als Abgeordnete echt hart, ein paarmal wollte ich hinschmeißen. Mein größter Halt sind die Menschen im Wahlkreis. Wenn die mitbekommen, dass etwas passiert ist, oder einen schlimmen Kommentar lesen, dann schreiben mir sogar Leute, von denen ich es nie erwartet hätte.
Viele Menschen mit ausländischen Wurzeln oder fremd klingendem Namen reagieren genervt, wenn man sie nach ihrer Herkunft fragt. Können Sie das nachvollziehen?
Giorgina Kazungu-Haß: Es ist total in Ordnung, wenn man Unterschiede sieht und darauf gespannt ist, wie es dazu kam. Ich erwarte nicht, dass Menschen farbenblind werden. Wenn man sich schon etwas besser kennt, kann man natürlich nach der Familiengeschichte fragen. Aber man sollte dann auch akzeptieren, wenn jemand sagt, dass er oder sie Deutsche ist, und nicht weiter nachbohren. Leider ist es noch immer so, dass vielen die Antwort Koblenz oder Rheinland-Pfalz oder Deutschland auf die Frage nach der Herkunft eben nicht reicht. (epd/mig) Aktuell Interview Politik
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