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Nach taz-Entscheidung

Seehofer sagt Treffen mit taz-Redaktion ab

Der Streit um eine „taz“-Kolumne über Polizisten scheint mit dem Urteil des Presserats beendet - allerdings nicht zur Zufriedenheit von Innenminister Seehofer. Er kritisiert das Selbstkontrollorgan und sagt ein Treffen mit der „taz“ ab.

Von Donnerstag, 10.09.2020, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.09.2020, 16:15 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im Streit um die Kolumne „Abschaffung der Polizei: All cops are berufsunfähig“ kommen die „tageszeitung“ und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nicht mehr zusammen – buchstäblich und wohl auch im übertragenen Sinn. Wie ein Sprecher Seehofers am Mittwoch in Berlin mitteilte, hält der Minister an einem ursprünglich geplanten Treffen mit der Chefredaktion des Blattes nicht mehr fest. Darüber sei die Redaktion am Mittwoch informiert worden, sagte er. Zuvor hatte Seehofer die Entscheidung des Deutschen Presserats, wonach die umstrittene Kolumne von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, harsch kritisiert.

„Für mich ist diese Bewertung eine unerträgliche Verharmlosung“, erklärte Seehofer. Polizistinnen und Polizisten würden in dem Text öffentlich als Müll bezeichnet. Der Presserat halte dies für eine Geschmacksfrage, kritisierte Seehofer: „Wenn eine ganze Berufsgruppe, die tagtäglich den Kopf für uns hinhält, in dieser brachialen Weise bewusst herabgesetzt und verunglimpft wird, geht es nicht mehr um Geschmack, sondern um unser gemeinsames Wertesystem.“

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Der Beschwerdeausschuss des Presserats hatte sich am Dienstag mit der Kolumne in der „taz“ vom 15. Juni beschäftigt. Die Autorin Hengameh Yaghoobifarah hatte darin Überlegungen angestellt, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde. Sie kam zu dem Schluss, dass es nur „eine geeignete Option“ gebe, „die Mülldeponie“. Der Presserat befand, dass das Gedankenspiel der Autorin von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Die Wortwahl „Mülldeponie“ als Ort für die Polizei berühre Geschmacksfragen, die aber keine Grundlage für die ethische Bewertung seien, hieß es zur Begründung. Der Presserat argumentierte außerdem, dass sich die Satire im Kern auf die gesellschaftliche Debatte über strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus beziehe.

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Ministerium: Gesprächszweck entfallen

Der Presserat fungiert als Selbstkontrollorgan der deutschen Presse. Er nimmt Beschwerden entgegen, prüft sie und kann bei Verstößen gegen den Pressekodex – das ethische Leitbild für Journalisten – Rügen, Missbilligungen oder Hinweise aussprechen. Als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle ist das Gremium entstanden, um Pressegesetze zur staatlichen Regulierung von Medien zu vermeiden.

Hintergrund der Absage des Gesprächs mit „taz“-Vertretern ist nach Worten des Innenministeriumssprechers eine Kommentierung von „taz“-Chefredakteurin Barbara Junge. Dieser könne man entnehmen, „dass der Gesprächszweck, den wir vor Augen hatten, entfallen ist“, sagte er.

Journalisten-Verband weist Seehofer-Kritik zurück

Junge hatte in einem Kommentar in der „taz“ zur Entscheidung des Presserats geschrieben, man müsse jetzt unter anderem darüber reden, dass die Autorin von einem rechten Mob bedroht werde. „Und wir müssen darüber reden, was die Rhetorik von CSU, Polizeigewerkschaften und Bundesinnenminister dazu beigetragen hat“, schrieb Junge. Seehofer hatte das Treffen mit der „taz“ selbst vorgeschlagen, nachdem er Abstand von dem Vorhaben genommen hat, selbst Anzeige wegen der Kolumne zu erstatten.

Der Deutsche Journalisten-Verband wies die Kritik Seehofers am Presserat zurück. Der Bundesvorsitzende Frank Überall vermisst nach eigenen Worten bei der Erklärung Seehofers ein Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit. Die habe der Minister mit keinem Wort erwähnt, erklärte Überall. (epd/mig) Aktuell Politik

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