Nebenan
Wir Verantwortungsflüchtlinge
Auch wir in der EU fliehen. Vor der Verantwortung. Und wenn wir dann doch mal aufnehmen "wollen", dann im Hinblick Blick auf die hohen Suizidraten in den Lagern mit den Mühlen der Bürokratie.
Von Sven Bensmann Dienstag, 22.09.2020, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.09.2020, 8:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Manch einer flieht vor Krieg, manch einer vor Folter – und ja, so manch einer flieht nur vor Armut, weil sein Fischerboot wertlos geworden ist, nachdem die Fangflotten der EU sein schönes Meer leergefischt haben, Freihandel sei Dank. Die EU hat jedoch die Flucht vor der Verantwortung zu ihrem höchsten Merkmal erhoben. Den Friedensnobelpreis hat man ja bereits in der Tasche.
Jahrelang hat die EU – und die EU, das sind wir alle – ignoriert, was in Moria, auf Lesbos und überhaupt auf dem Mittelmeer passierte und weiterhin passiert, allein mit dem Ziel, sich der Verantwortung nicht stellen zu müssen. Das reiche und große Deutschland flüchtet sich dabei gern in die Behauptung, man wolle ja eine gemeinsame europäische Lösung – im sicheren Wissen, dass die mit Ungarn, Tschechien oder Polen sicher nicht zu haben ist.
„Die Suizidraten in den Lagern sind ja hoch genug, dass sich die Aufnahme für einige dieser schutzlosen Menschen bereits biologisch erledigt hat, bevor die Mühlen der Bürokratie sie zu Ende gemahlen haben.“
Wenn wir dann doch mal Menschen aufnehmen wollen, dann stellen wir immerhin sicher, dass sie letztlich doch nicht kommen, wie eine kleine Anfrage der Linken gezeigt hat: Statt der im Malta-Abkommen vereinbarten maximal 4 Wochen lässt sich Deutschland bis zur eigentlichen Aufnahme nämlich auch schon mal 9 Monate Zeit. Die Suizidraten in den Lagern sind ja hoch genug, dass sich die Aufnahme für einige dieser schutzlosen Menschen bereits biologisch erledigt hat, bevor die Mühlen der Bürokratie sie zu Ende gemahlen haben.
Wobei: Menschen nehmen wir ja gar nicht auf. Wir nehmen Kinder auf, gelegentlich auch mal Mütter – aber keine Männer. Die Würde des Menschen hängt nämlich offensichtlich ganz wesentlich vom Geschlecht ab. Mag jeder für sich selbst entscheiden, ob hier Art. 1 GG, Art. 2 GG oder Art. 3 GG mit Füßen getreten wird – oder gleich alle 3 – Verantwortung für auch nur einen dieser Artikel übernehmen wir so jedenfalls nicht.
Fast schon ein kleines bisschen Hoffnung schafft jedoch, dass der Südschleswigsche Wählerverbund (SSW), der Vertretung der dänischen (und der friesischen) Minderheit in Deutschland ist, sich zukünftig nicht mehr nur auf Schleswig-Holstein beschränken, sondern sich auch im nationalen Rahmen, also bei der Bundestagswahl 2021, seiner Verantwortung stellen will. Nicht an die 5-Prozent-Hürde gebunden kann der SSW dabei schon mit vergleichsweise wenig Wählern Abgeordnete nach Berlin schicken, die dort als Vertreter ethnischer Minderheiten eine Perspektive einbringen können, die die volksdeutsche Mehrheitsgesellschaft – auch im linksgrünen Spektrum – häufig vermissen lässt.
Diese neue Perspektive kann dem Bundestag nur guttun, wo Mutti über ihren Innenminister doch auch weiterhin verhindert, dass angesichts wieder neuer Vorwürfe über wieder neue rechtsextreme Netzwerke in der Polizei in einer bundesweiten Studie genau diese untersucht werden. Auch dieser Verantwortung wollen wir uns offensichtlich nicht stellen. Aber warum auch? Wir sind ja zufällig auf der richtigen Seite des Mittelmeeres geboren worden. (epd/mig) Meinung
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