Rechtsbruch
Deutschland verweigert Flüchtlingen aus Griechenland Familiennachzug
Je stärker sich die Lage in den griechischen Flüchtlingslagern zuspitzt, desto öfter lehnt Deutschland Anträge aus Griechenland auf Familienzusammenführung ab. Hilfsorganisationen attestieren dieser Deutschland Rechtsbruch, Linkspolitikerin Akbulut spricht von "Blockadehaltung".
Dienstag, 29.09.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.09.2020, 9:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Deutschland hat im laufenden Jahr knapp 70 Prozent aller Anträge auf Familienzusammenführung von Flüchtlingen aus griechischen Lagern abgelehnt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion, die dem MiGAZIN vorliegt. Danach hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zwischen Jahresbeginn und 17. September 2020 von 949 griechischen Aufnahmeersuchen 662 abgelehnt. Das entspricht einer Ablehnungsquote von knapp 70 Prozent.
Hintergrund der Anfragen aus Griechenland ist die sogenannte Dublin III-Regelung. Danach ist das EU-Land für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig, in dem bereits Familienmitglieder des Antragsstellers leben. Diese Regelung geht dem Ersteinreiseprinzip vor, wonach das EU-Land zuständig, dessen Boden der Schutzsuchende zuerst betreten hat.
Hilfsorganisation: Bamfs Praxis rechtswidrig
Hilfsorganisationen werfen Deutschland vor, das ohnehin überlastete Griechenland mit der Bewältigung des Flüchtlingsandrangs im Stich zu lassen. Die EU-Verordnung werde in rechtswidriger Weise mit fadenscheinigen Begründungen und hohen Anforderungen zunehmend ausgehebelt. So würden beispielsweise Übersetzungen von Dokumenten gefordert, die laut Verordnung gar nicht nötig seien, wohl wissend, dass die Menschen in den Lagern kaum oder gar nicht Zugang zu Übersetzungsdiensten hätten.
Ein Blick auf die Zahlen zurückliegender Jahre zeigt tatsächlich einen stark rückläufigen Trend: Noch im Jahr 2017 hat das Bamf von knapp 5.800 Antragsersuchen aus Griechenland über 90 Prozent positiv beantwortet. Im Jahr 2018 sank diese Quote auf 38 Prozent, in der Zeit vom Juni 2019 bis Dezember 2019 sogar auf 28 Prozent, obwohl die Fallzahlen in diesem Zeitraum ebenfalls stark rückläufig waren (747).
Akbulut: Aufnahmemöglichkeiten ausschöpfen
Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Die Linke), kritisiert die Praxis Deutschlands vor allem im Hinblick auf die katastrophalen Zustände in den griechischen Aufnahmezentren. Angesichts der Ausbreitung des Corona-Virus und der vollständigen Zerstörung des Hotspots Moria, „ist es nicht nachvollziehbar, dass Deutschland noch immer den Großteil aller Aufnahmeersuche aus Griechenland ablehnt“, erklärt Akbulut dem MiGAZIN.
„Für die Betroffenen, darunter viele unbegleitete minderjährige Schutzsuchende, bedeutet dies, dass sie nicht zu ihren Familienmitgliedern nach Deutschland kommen dürfen und weiter unter miserablen, oft menschenunwürdigen Bedingungen in überfüllten Hotspots ausharren müssen“, so die Linkspolitikerin. Akbulut fordert das Bamf auf „alle rechtlichen Möglichkeiten einer Aufnahme“ auszuschöpfen und „seine Blockadehaltung“ aufzugeben. Für Viele sei die Familienzusammenführung „oft der einzige Ausweg aus den Elendslagern“. (mig) Leitartikel Politik
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