„Noch nie so aktuell“
Zwei Ausstellungen über Rassismus in Frankfurt
Zwei neue Ausstellungen in Frankfurt a.M. beschäftigen sich mit Rassismus – sowohl in Form des Alltagsrassismus in der Gegenwart als auch im historischen Kontext: Kolonialismus aus der Perspektive der Kolonisierten.
Dienstag, 29.09.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.09.2020, 14:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Gleich zwei Ausstellungen über Rassismus eröffnen diese Woche in Frankfurt am Main: Das Historische Museum Frankfurt zeigt ab Donnerstag die Schau „Ich sehe was, was du nicht siehst. Rassismus, Widerstand und Empowerment“, die Bildungsstätte Anne Frank ab Dienstag die Kabinettausstellung „Hingucker? Kolonialismus und Rassismus ausstellen“.
Deutschland und Frankfurt hätten sich erst wenig mit der Geschichte des Kolonialismus und Rassismus beschäftigt, sagte der Direktor des Historischen Museums Frankfurt, Jan Gerchow, am Montag. Dabei wirke diese Geschichte bis heute nach. Erst die NSU-Mordserie sowie die Morde in Wolfhagen-Istha und Hanau hätten zu einer Diskussion über Rassismus in der Gesellschaft geführt.
Die Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt soll nach den Worten der Kuratorin Susanne Gesser den „Alltagsrassismus bekämpfen“. Die Schau sei gemeinsam mit mehr als 60 Personen mit und ohne Migrationshintergrund, finanziert zu einem großen Teil vom hessischen Ministerium für Soziales und Integration, erarbeitet worden. „Noch nie war eine Ausstellung im Museum so aktuell“, sagte Gesser.
Widerstand von Einwanderern
Die Arbeiten thematisieren Formen von Rassismus, Auswirkungen des Kolonialismus, die Lebenssituation und Widerstand von Menschen, die als nicht-Weiß gelesen werden. So hängt an einer Wand ein vier mal sechs Meter hohes Plakat mit mehr als 200 Namen von Menschen, die rechtsradikaler oder rassistischer Gewalt zum Opfer gefallen sind. Alle Namen bilden die Gestalt Deutschlands nach. Das Plakat wurde anlässlich bundesweiter Kundgebungen gegen Rassismus am 8. Mai an der Fassade der Alten Oper Frankfurt aufgehängt.
Info: Öffnungszeiten: Historisches Museum Frankfurt: Dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 10 bis 21 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr. Bildungsstätte Anne Frank: Montags bis freitags von 14 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Zu den Ausstellungen gibt es ein Rahmenprogramm mit einer Veranstaltungsreihe.
Ein begehbares Labyrinth aus zeltartigen Zwischenwänden der Künstler Lillian Dam Bracia und Pien den Hollander soll Besucher in einen „Zwischenzustand“ entführen, in dem sich viele Migranten befinden: Zwischen Grenzen, Gesetzen und Identitäten. An Hörstationen in dem Labyrinth berichten Migranten aus ihrem Leben. Sarmina Stuman vom Afghan Refugees Movement schließlich hat den Nachlass eines 19-jährigen afghanischen Flüchtlings in einer Vitrine ausgebreitet. Matiullah Jabarkhil wurde 2018 in Fulda von der Polizei erschossen, nachdem er vor einer Bäckerei randaliert und einen Lieferanten sowie einen hinzugerufenen Polizisten verletzt hatte. Der Fall ist letztlich noch nicht aufgeklärt.
Perspektive der Kolonisierten
Die Kabinettausstellung in der Bildungsstätte Anne Frank beleuchtet den Kolonialismus aus der Perspektive der Kolonisierten, wie Direktor Meron Mendel erläuterte: „Wie haben die betroffenen Menschen Kolonialismus erlebt und was haben sie dagegen geleistet?“ Die Diskussion über Straßennamen, Geschäftsnamen und Museumsexponate aus der Kolonialzeit sei überfällig.
Das gezeichnete Porträt eines andeutungsweise gut gekleideten Schwarzen mit Opernglas eröffnet die Schau. Kwelle Ndumbe sei 1896 zusammen mit anderen Schwarzen und geraubten Kunstwerken für eine Kolonialausstellung nach Berlin verschifft worden, erklärte Kuratorin Jeanne Nzakizabandi. Er habe die rassistische Logik des Ausstellens wilder Menschen durchbrochen, indem er seinerseits mit einem Opernglas die Betrachter betrachtete.
Wut über die Kolonialisten
Dass sogenannte Völkerschauen häufig Teil von Kolonialausstellungen waren, zeigt auch ein Plakat von 1884 in Frankfurt am Main. Es preist als Attraktion 43 Singhalesen und 20 Arbeitselefanten an. Den Widerstand von Kolonisierten dokumentiert unter anderem eine wiederentdeckte Audioaufnahme von 1931 aus Namibia.
Ein Einheimischer im damaligen Deutsch-Südwestafrika fragt einen Deutschen, warum er denn Abformungen von Gesichtern und Köpfen macht und die Körper von Schwarzen abmisst. Er äußert auf Otjiherero seine Wut über die Kolonialisten und fordert Entschädigung. Porträtfotografien von Schwarzen, die sich Ende des 19. Jahrhunderts in Europa gegen Rassismus starkmachten, zeigen, dass dieser mit seinem Protest nicht alleine stand. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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