Anzeige

Verwaltungsgericht Mannheim

Kein Händeschütteln, keine Einbürgerung

Wer Frauen den Handschlag verweigert hat keinen Anspruch auf Einbürgerung. Das hat das Verwaltungsgericht Mannheim im Fall eines Libanesen entschieden, der Oberarzt einer Klinik ist. Der Handschlag gehöre seit Jahrhunderten zur westlichen Tradition.

Montag, 19.10.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 18.10.2020, 19:15 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Wer Frauen grundsätzlich zur Begrüßung nicht die Hand gibt, kann auch nicht in Deutschland eingebürgert werden. Mit dieser Begründung hat der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof einem Libanesen in einem am Freitag in Mannheim veröffentlichten Urteil die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert. Eine fundamentalistische Kultur- und Wertevorstellung, die das Händeschütteln mit einer Frau ablehnt, gewährleiste nicht die Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse, so das Gericht. (Az. 12 S 629/19)

Anzeige

Der 39-jährige Kläger kam 2002 nach Deutschland und arbeitet inzwischen als Oberarzt an einer Klinik. Bei seinem 2012 gestellten Antrag auf Einbürgerung habe er eine „Absage an alle Formen des Extremismus“ unterschrieben und im Einbürgerungstest die volle Punktzahl erreicht. Als er 2015 die Urkunde entgegennehmen sollte, verweigerte er der zuständigen Sachbearbeiterin des Landratsamts den Handschlag zur Begrüßung. Er habe seiner Ehefrau versprochen, keiner anderen Frau die Hand zu geben, gab er an.

___STEADY_PAYWALL___

Händeschütteln Tradition

Das Gericht führt aus, dass das Händeschütteln seit Jahrhunderten in westlichen Staaten eine Tradition sei, die sogar Zeiten weltweiter Infektionen überdauert habe. Es habe zudem eine rechtliche Bedeutung, weil es etwa einen Vertragsabschluss symbolisiere oder bei der Verpflichtung eines Menschen in ein öffentliches Amt verwendet werde. Dem Einbürgerungsantrag könne insbesondere dann nicht entsprochen werden, wenn der verweigerte Handschlag „dem Geltungsanspruch einer salafistischen Überzeugung zum Verhältnis von Mann und Frau zu einer gesellschaftlichen Wirkung“ verhelfen wolle.

Anzeige

Der Libanese hatte geltend gemacht, dass er seit 2018 niemandem mehr die Hand gebe – auch keinem Mann. Der Verwaltungsgerichtshof sieht darin allerdings nur ein „taktisches Vorgehen“ unter dem Eindruck der Ablehnung der Einbürgerung. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalls zugelassen, sie muss binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden. (epd/mig) Aktuell Recht

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. cougar sagt:

    Das ist Wertediktatur pur!
    Das war im Jahr 2015, und jetzt leben wir unter Corona-Beschränkungen, da braucht man die Verweigerung des Händedrucks auch nicht mehr religiös zu begründen. Notfalls kann man Handschuhe tragen.
    Irgendwie erscheint mir die Corona-Pandemie wie eine göttliche Strafe für diese europäischen Wertediktatoren: Vorher verabschiedeten sie mit den absurdesten Begründungen Verbote für muslimische Frauen, in der Öffentlichkeit ihr Gesicht zu bedecken, und jetzt müssen Personen beider Geschlechts wenigstens einen Teil davon bedecken, und Händedruck ist jetzt auch nicht mehr erwünscht.
    Und diese Heuchler bemühen für ihr Urteil auch noch den Kampfbegriff „salafistisch“! Es sind nicht nur der salafitischen (ohne zweites s) Richtung folgende Muslime, die in der unmittelbaren Berührung einer für sie fremden Frau eine verbotene Handlung sehen. Somit folgt dieses Gericht jenen Gegnern des Islams, die alle praktizierenden Muslime als „Salafisten“ abstempeln und damit zu diffamieren suchen!
    Die Begründung des Gerichts mit der Behauptung, auch Männern nicht mehr die Hand zu geben, sei nur ein „taktisches Vorgehen“, erinnert mich an ein Gerichtsurteil zu Zeiten des Kopftuchverbots, als einer muslimischen Lehrerin in NRW das Tragen selbst einer neutralen Baskenmütze verboten wurde. Diesen Gerichten geht es in Wirklichkeit gar nicht um die Neutralität des Staates oder die Gleichbehandlung der Geschlechter, sondern darum, die Muslime zu demütigen und ihnen die Werte der Mehrheitsgesellschaft aufzuzwingen, was jedoch im Grunde verfassungswidrig ist.