Europäischer Gerichtshof
Urteil stärkt Aufenthaltsrecht türkischer Staatsbürger
Der Europäische Gerichtshof macht Schluss mit einer 20-jährigen Praxis: Eine Türkin, die die deutsche Staatsbürgerschaft wieder verloren hat, verliert nicht auch ihre unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Donnerstag, 22.10.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 21.10.2020, 18:37 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Eine Türkin in Deutschland, die zwischenzeitlich die deutsche Staatsbürgerschaft hatte und sie durch den Erwerb einer weiteren Staatsbürgerschaft wieder verloren hat, verliert nicht auch ihre unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch zu einem Fall aus Duisburg. Das einmal erworbene Recht bestehe unabhängig davon fort, ob die Voraussetzungen für seine Entstehung sich zwischenzeitlich geändert hätten.
Das Recht der Frau gründet auf einem Beschluss des türkisch-europäischen Assoziationsrates von 1980, der durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der heutigen EU, eingerichtet wurde. (AZ: C-720/19)
Duisburger Bescheid EU-Rechtswidrig
Die Frau war 1970 zu ihrem in Deutschland arbeitenden Mann gezogen, wie der EuGH erklärte. Als Familienangehörige eines abhängig beschäftigten Türken erhielt sie zunächst eine mehrfach verlängerte befristete Aufenthaltserlaubnis und 1996 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. 2001 wurde sie erst Deutsche und verlor dabei die türkische Staatsbürgerschaft, bevor sie im selben Jahr wieder die türkische Staatsbürgerschaft annahm.
Der damit einhergehende Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft wurde laut EuGH erst rund zehn Jahre später formal festgestellt. Daraufhin erhielt die Frau erneut eine mehrfach verlängerte befristete Aufenthaltserlaubnis. Als sie wieder die unbefristete Aufenthaltserlaubnis beantragte und auf das einst erworbene Recht verwies, verweigerte das die Stadt Duisburg. Die auf den Beschluss des Assoziationsrats gegründete Erlaubnis sei durch Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft unwirksam geworden.
Hintergrund: Streichung der Inlandsklausel
Schätzungen zufolge befinden sich mehrere zehntausend Türkeistämmige in einer ähnlichen Situation wie die Klägerin im vorliegenden Fall. Ursache ist eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das im Januar 2000 in Kraft trat. Der Gesetzgeber hatte damals die sogenannte Inlandsklausel gestrichen, die besagte, dass die deutsche Staatsbürgerschaft nicht automatisch verloren geht, wenn eine Person eine weitere Staatsbürgerschaft annimmt, sofern er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat.
Durch die Streichung dieser Klausel verloren viele Türkeistämmige nicht nur die deutsche Staatsbürgerschaft, sondern auch ihren alten Aufenthaltstitel. Die Entscheidung des EuGH schiebt dieser nunmehr seit fast zwanzig Jahre andauernden Praxis einen Riegel vor. (epd/mig) Aktuell Recht
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…