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Türen auf

Behörden und Einrichtungen bemühen sich um interkulturelle Öffnung

Hermine Seelmann arbeitet als Quartiersmanagerin im Würzburger Stadtteil Heuchelhof. Hier haben zwei Drittel der Menschen einen Migrationshintergrund. Deshalb kooperiert sie intensiv mit Freiwilligen, die nicht aus Deutschland stammen.

Von Dienstag, 03.11.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 02.11.2020, 16:00 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Wer mag, kann im Heuchelhöfer Stadtteilzentrum ein soziales Projekt initiieren oder einen Kurs für Kreative starten. Die Bürger sollen selbst aktiv werden, unabhängig von ihrem Alter oder ihrer Herkunft. Die Kunst besteht darin, sie dazu zu bringen, sich das Stadtteilzentrum einmal näher anzusehen. Basemah Alhaj kam dazu auf einem ungewöhnlichen Weg: „Ich saß in der Straßenbahn, da stieg Frau Seelmann ein und grüßte mich.“ Das hatte die Muslimin noch nicht erlebt: Eine fremde Person sagt freundlich „Hallo“ zu ihr. Alhaj begab sich kurz danach erstmals ins Stadtteilzentrum. Sie kam dann öfter. Vor einem Jahr entschied die 40-Jährige, sich dort zu engagieren: „Ich biete einen Aerobic-Kurs für Frauen an.“

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Mit ihrer offenen Art erfüllt Hermine Seelmann eine sehr gute Voraussetzung für die von ihr als Quartiersmanagerin erwartete „interkulturelle Öffnung“. Der etwas sperrige Ausdruck meint, dass sich Ämter und Einrichtungen überlegen müssen, wie sie ihre Türen für Menschen mit ausländischen Wurzeln möglichst weit aufstoßen können.

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Nachholbedarf

Hier besteht noch viel Nachholbedarf, sagt Nabila K.. Die junge Frau aus dem Iran, die seit vier Jahren in Bayern wohnt, machte nach ihrer Ankunft in Deutschland „höchst ungute Erfahrungen“ mit Behörden. Wie sie auf dem Ausländeramt behandelt wurde, sei ihr unter die Haut gegangen, erzählt Nabila K.: „Ich habe richtige Aggressionen mir gegenüber gespürt.“ Immer wieder sei sie weggeschickt worden, weil sie nicht alle oder weil sie die falschen Papiere dabei hatte. Als die Unterlagen endlich komplett und korrekt waren, sei sie aufgefordert worden, sich einem „Terrorcheck“ zu unterziehen. „Das hat mir Angst gemacht.“ Niemand im Amt habe sich die Mühe gemacht, mit ihr darüber zu reden, warum der Check notwendig sei. Nabila K. erlebte alles andere als Offenheit.

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Interkulturelle Öffnung gestaltet sich in der Praxis oft schwierig, auch wenn inzwischen eine Menge Konzepte existieren. „Ich würde mir hierfür mehr Ressourcen wünschen“, sagt Barbara Heyken vom „Projekt Interkulturelle Öffnung“ des Diakonischen Werks Hamburg-West/Südholstein. Das von ihr geleitete Projektteam bietet kostenfreie Fortbildungen an, zum Beispiel für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jobcentern. Es geht dabei um kulturelle Sensibilisierung, um Aufklärung über fluchtbedingte Traumata sowie um konkrete Fallanalysen.

Hinterfragen

Da ist zum Beispiel die Muslimin, die sich weigert, einen Job anzunehmen. Das verstößt allerdings gegen die Regeln, die Hartz-IV-Bezieher beachten müssen – und könnte vom Jobcenter sanktioniert werden. In Heykens Fortbildung lernen Mitarbeiter von Jobcentern, das Verhalten von Klientinnen und Klienten mit ausländischen Wurzelen zu hinterfragen: Hat die Frau Kinder? Möchte sie tagsüber bei ihnen sein? Gibt es eine Möglichkeit, die Kinder betreuen zu lassen? Stehen religiöse Gründe einem konkreten Jobangebot im Weg? Wie geht es der Klientin gesundheitlich? Ist sie innerlich schon in Deutschland angekommen?

„Die Stadt Gießen ist seit langem durch Zuwanderung geprägt“, sagt Astrid Eibelshäuser, die als Stadträtin für Integration zuständig ist. Deshalb spreche die Kommune bei Stellenausschreibungen Fachkräfte mit Migrationshintergrund „besonders“ an, sagt Eibelshäuser. Zudem wurde das mehrsprachige Angebot der Stadt seit 2010 massiv ausgebaut. „Zum Beispiel gibt es mehrsprachige Informationen zum digitalen Anmeldesystem für einen Kita-Platz“, berichtet Gießens Pressesprecherin Claudia Boje. Damit ist Gießen vorbildlich. In vielen Kommunen ist man längst noch nicht so weit. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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  1. Yess sagt:

    Mommentchen, wenn Kinder unter 16 sind muss eine Mutter in Deutschland NICHT arbeiten, so ist das Gesetz, die Kinder haben ein Recht auf Betreuung durch ein Elternteil.