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Migranten in der Verwaltung

Unterrepräsentiert, befristet und im einfachen Dienst

In der Bundesverwaltung sind Menschen mit ausländischen Wurzeln deutlich unterrepräsentiert, überdurchschnittlich oft nur befristet eingestellt und häufiger in Jobs, für die sie überqualifiziert sind. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor. Außerdem werden sie öfter diskriminiert und seltener befördert.

Dienstag, 08.12.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 07.12.2020, 16:36 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In der Bundesverwaltung sind Menschen mit ausländischen Wurzeln deutlich unterrepräsentiert. Wie eine am Montag in Berlin vorgestellte Erhebung ergab, haben lediglich zwölf Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund, während der Anteil in der Gesamtbevölkerung bei über 25 Prozent liegt. Gleichzeitig sind sie in den Behörden überdurchschnittlich oft nur befristet eingestellt, sind häufiger in Jobs, für die sie überqualifiziert sind, und werden seltener befördert als ihre Kollegen mit ausschließlich deutschen Vorfahren.

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Konkret: In der Bundesverwaltung sind mit 18,2 Prozent Beschäftigte mit Migrationshintergrund in Relation zu ihrem Gesamtanteil an allen Beschäftigten überdurchschnittlich häufig überqualifiziert tätig. „Angesichts des hohen Anteils von Akademikern (30,8 Prozent) unter den Beschäftigten mit Migrationshintergrund weist der Befund darauf hin, dass die in der Bundesverwaltung vorhandenen Potenziale noch nicht vollständig genutzt werden“, heißt es in der Erhebung.

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Befristet und im einfachen Dienst

Danach haben 17,6 Prozent aller Beschäftigten der Bundesverwaltung im einfachen Dienst ausländische Wurzeln. Im mittleren Dienst sinkt ihr Anteil schon auf 12,7 Prozent, im gehobenen Dienst sogar auf 10,5 Prozent. Lediglich im höheren Dienst geht ihr Anteil mit 13,3 Prozent leicht nach oben.

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Der Studie zufolge machen Beschäftigte mit Migrationshintergrund zudem 19,6 Prozent des befristet beschäftigten Personals aus, aber nur 12,0 Prozent des Gesamtpersonals. Nachteile bestehen für Beschäftigte mit ausländischen Wurzeln „nicht nur bei der beruflichen Platzierung zu Einstellungsbeginn, sondern auch im Verlauf der weiteren Erwerbstätigkeit in der Bundesverwaltung“, heißt es in der Studie weiter. Demnach liegt eine unterdurchschnittliche Repräsentation dieser Gruppe bei Verbeamtungen (10,1 Prozent), Beförderungen (9,6 Prozent) und bei der Besetzung von Führungspositionen (10,0 Prozent) vor.

Mehr Mobbing und Diskriminierung

Auch beim Thema Mobbing und Diskriminierung gibt es sichtbare Unterschiede unter den Beschäftigten mit und ohne Migrationshintergrund. Erstgenannte sind häufiger von Diskriminierung (35,3 bzw. 32,8 Prozent) und Mobbing (11,2 bzw. 9,6 Prozent) betroffen als Beschäftigte ohne Migrationshintergrund.

Allen Widrigkeiten zum Trotz berichten laut Studie 69 Prozent der Beschäftigten mit internationaler Geschichte von einer hohen oder sehr hohen Arbeitszufriedenheit, 55 Prozent von einer hohen oder sehr hohen Verbundenheit mit dem Arbeitgeber.

Müller mit mehr Chancen als Yılmaz

Staatsministerin für Integration Annette Widmann-Mauz sagte, eine Frau Yılmaz habe beim Bewerbungsgespräch immer noch mehr Probleme als Frau Müller, die Stelle zu bekommen. „Nötig ist ein strategischer Ansatz zur Diversitätsförderung, damit unsere Verwaltung vom ganzen Wert der Vielfalt unseres Landes profitiert“, so die Staatsministerin.

Nicht überrascht von den Ergebnissen der Erhebung zeigte sich die integrationspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Filiz Polat. Die Studie offenbarten „massiven Aufholbedarf“. Es sei ein „Armutszeugnis“ für die Einwanderungsgesellschaft, dass sich in den letzten vier Jahren praktisch nichts verändert hat. „2016 sprach die Bundesregierung noch von 14,8 Prozent der Beschäftigten mit sogenanntem Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung. Wieder einmal zeigt sich, dass unverbindliche und freiwillige Zielvorgaben nicht den notwendigen Wandel herbeiführen“, kritisiert Polat.

Handlungsbedarf

Tatsächlich zeigen die Ergebnisse konkreten Handlungsbedarf: Maßnahmen zur Personalgewinnung wie die gezielte Ansprache von jungen Menschen auch mit Migrationshintergrund oder die Sensibilisierung für Barrieren im Auswahlprozess von neuen Mitarbeitern, heißt es in einer Erklärung von Staatsministerin Widmann-Mauz. Weitere Empfehlungen seien gezielte Personalentwicklung, -förderung und -weiterbildung sowie Diversitätsmanagement für jede Behörde. Gleichzeitig müsse die interkulturelle Kompetenz stärker gefördert werden, um Diskriminierung vorzubauen.

Beim sogenannten Diversität- und Chancengleichheit-Survey handelt es sich um die erste zentrale Beschäftigtenbefragung in der Bundesverwaltung. Von insgesamt gut 230.000 dort tätigen Personen sind den Angaben nach mehr als 47.000 von Mai bis November 2019 online befragt worden. Die repräsentative Erhebung ist Teil des Nationalen Aktionsplans Integration der Bundesregierung. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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  1. Fruufus Maximus sagt:

    Es ist wohl letztlich die Frage, ob man eine ethnisch-kulturell homogenere Gesellschaft erhaltenswert findet oder nicht. Selbstverständlich sollte die Qualifikation das entscheidende Kriterium einer Anstellung sein, doch gerade deshalb verbietet es sich, hier Quoten zu fordern und migrationsselektiven Vorzug zu gewähren.

    Darüber hinaus wird Integration von Migranten doch immer noch vorwiegend als die Anpassung der Zugewanderten an die heimische Mehrheitsbevölkerung verstanden. Und da wo Migration gelingt, ist der Migrationshintergrund offenbar kein Hindernis, wenn 12% in der Bundesverwaltung beschäftigt sind. Wir schauen ja auch nicht um differenzierte Besetzung bei anderen Gruppen, z.B. ob die Zeugen Jehovas prozentual zu ihrem Anteil in der Gesellschaft auch in der Bundesverwaltung beschäftigt sind, oder „Diversgeschlechtliche“.

    Solche Formen von Zwangsregulierung gesellschaftlicher Positionen passen nicht zu einem freiheitlichen Rechtsstaat, sie entspringen ideologischen Weltbildern und moralischer Anmaßung.