Dichtertränen
Briefe an Vera
„Es schmerzt, wenn im überfüllten Bus der Platz neben einem leer bleibt.“ Liebe und Poesie sind völlig aus dem Leben der Menschen verschwunden, Vera.
Von Burak Tuncel Donnerstag, 14.01.2021, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 13.01.2021, 17:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Liebste Vera,
jedes Kind wird feinfühlig, voller weiblicher Zartheit geboren. Doch die Gesellschaft, die wir bewohnen mag keine zärtlichen und sensiblen Menschen in ihrer Welt dulden. Sie braucht Menschen mit einem dicken Fell. Sie braucht Menschen, die uns spalten in Länder und Religionen. Sie braucht Soldaten und Sklaven, jene die den Weg zu ihrem Herzen nicht finden. Die Poesie ist völlig aus dem Leben der Menschen verschwunden, Vera, die Schönheit ist daraus verschwunden, die Liebe ist daraus verschwunden. Geld, Macht, Spaltung und das Harte sind die einzigen Götter noch. Wie lange kann die Menschheit ohne Liebe und ohne Poesie, ohne Freude und ohne die Liebe zum Leben noch weiterleben? Nicht mehr lange, so viel ist gewiss.
Die heutigen Ereignisse sind nur das Ergebnis der lieblosen Geister die auf dieser Erde wandeln, sie sind leider in der großen Mehrheit. Es wird eine harte Zeit in Zukunft auf die Menschen warten, doch auch dies hat eine tiefe Ursache. Die weibliche Zartheit kommt nicht vor hierzulande. Der männliche Verstand regiert, deshalb all die Kriege. Weibliche Zartheit kann Menschen nicht spalten aufgrund ihrer Herkunft. Weibliche Zartheit ist unser Geburtsrecht, doch sie wird zerstört von dieser Gesellschaft. Das heutige Bildungssystem wäre eine völlig andere, wenn es Liebe geben würde. Es gäbe dann keine Armut mehr und der Geist würde nicht dazu abgerichtet werden, wie eine Maschine zu funktionieren. Es gäbe keine Konkurrenz und keine Nationalitäten.
Doch weil die Menschen nicht lieben Vera, entstand eine destruktive Gesellschaft, wo die Kinder nicht geliebt werden. Die Menschen haben in Wahrheit große Angst vor der Freiheit, Vera, auch wenn sie alle von Freiheit sprechen. Lieber bleiben sie in ihrer gemütlichen Gefangenschaft ihrer Vorurteile. Eine Gesellschaft, die auf den Prinzipien Erwerb, Profit, Eigentum basiert, bringt einen am Haben orientierten Gesellschafts-Charakter hervor, und sobald das vorherrschende Verhaltensmuster etabliert ist, dies als herrschende Religion, will niemand ein Außenseiter sein und passt sich diesem Dogma an. Die Dominanz der Selbstsucht die führenden Propheten. Erwerben, Besitzen und Gewinnmachen sind die geheiligten und unveräußerlichen Rituale. So sehen die Menschen auch gewisse Länder als ihr Eigentum an und andere sind Fremde dort. Der Grundgedanke von Besitz bringt Rassismus mit sich, dies wird alles den Kindern gelehrt und dann wundert man sich wieso die Welt so lieblos ist, meine schöne Vera. Man bringt den Kindern bei, wie man Geld hortet, doch dies ist alles gegen die Liebe. Ein Liebender kann nicht horten, er wird teilen, wo er nur kann, im Dienste des Lebens. Doch die meisten leben nur, um Geld zu horten, Vera.
Du darfst niemals vergessen, Vera. Meine Bücher und Kolumnen können nicht akzeptiert werden von Menschen, die eine Kultur des Mechanischen, des Digitalen und der Ausbeutung errichtet haben. Wir liebenden Seelen pflücken keine Blumen, da sie wie unsere eigenen Kinder sind. Sie tanzen im Regen, wiegen sich in der Sonne und vereinigen sich mit den Winden. Die Blumen und Tiere sind das Weibliche, sie sind das Abbild der Liebe. Das Weibliche ist nicht erschaffen worden, nein. Sie ist das Erschaffende selbst. Weißt du, Vera? Ich kam in diese Welt um die Botschaft der weiblichen und kindlichen Zartheit zu verbreiten. Gekreuzigt zu werden von den religiösen und intellektuellen Menschen, der akademischen Kaste, den Machtgierigen, den Kapitalisten. Dies ist das Schicksal aller prophetischen Botschaften. Sei nicht traurig, geliebte Vera. So ist der Welten Lauf. Lebe wohl meine schöne Vera. „So, wackrer Apotheker. Gib mir deinen Trank und solle wirken schnell. Und so im Kusse sterbe ich.“ Meinung
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Ja, das kann zunächst schon auf die Tränendrüsen drücken, wenn man es aber weiter sacken lässt, auch durchaus einen Lachreiz auslösen – angesichts des schlichten schwarz-weißen Bildes, das hier von der Gesellschaft, in der wir lieben, gezeichnet wird.
Herzliche Grüße
Stefan Böckler