„Halt die Schnauze“
Roma-Verband kritisiert Polizeiübergriff auf Elfjährigen
Polizisten im baden-württembergischen Singen sollen einen elfjährigen Roma-Jungen beleidigt, bedroht und mit Handschellen gefesselt abgeführt haben. Der Roma-Landesverband fordert Aufklärung. Das Vorgehen der Polizei sei kein Einzelfall.
Donnerstag, 11.02.2021, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.02.2021, 16:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg hat schwere Vorwürfe gegen die Polizei in Singen erhoben. Die Beamten hätten am vergangenen Samstag einen elfjährigen Jungen vor dem Wohnhaus seiner Großmutter kontrolliert, bedroht und in Handschellen aufs Polizeirevier gebracht, teilte der Landesverband am Mittwoch in Mannheim mit. Er forderte Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf, den Vorfall aufzuklären. Zudem habe die Familie Strafanzeige gestellt.
Vor dem Wohnhaus der Großmutter hätten zwei Polizeibeamte spielende Kinder kontrolliert und dabei den Sinto in gebrochenem Romanes sinngemäß mit Worten wie „Einer von den Zigeunern, die kennen wir ja“, „Du kommst eine Nacht hinter Gittern“ und „Der Tod kommt dich holen“ bedroht. Nachdem sie bei dem Elfjährigen ein kleines Klappmesser fanden, hätten sie ihn gefesselt zur Polizeiwache gebracht. Dem Jungen sei nicht erlaubt worden, seine Eltern zu verständigen, kritisierte der Verband.
„Halt die Schnauze“
Nach Darstellung des Verbands flehte das Kind die Beamten an, seine Mutter benachrichtigen zu dürfen. Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Es wies die Beamten auch darauf hin, dass es wegen eines kurz zuvor erlittenen Unfalls drei angebrochene Rippen hätte und an Asthma leide. Das Kind wurde dennoch mit körperlicher Gewalt auf den Rücksitz des Einsatzwagens verbracht. Im Auto wiederholte es, dass es an Asthma leide und die Fesselung ihm Atemprobleme bereite. Als Reaktion sagte die Polizeibeamtin: ‚Halt die Schnauze‘“.
Erst nach 30 Minuten im Polizeipräsidium sollen dem Kind die Handschellen abgenommen worden sein. Danach sei der Junge verängstigt und alleine nach Hause gegangen, so der Verband weiter. Weder der Mutter noch dem Kind sei das Vorgehen erläutert worden.
Verband: Kein Einzelfall
Daniel Strauß, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg erklärt: „Dieser Fall fügt sich in eine Reihe von aktuellen Vorkommnissen von Polizeigewalt gegen unsere Minderheit ein, wie 2016 in Heidelberg und 2020 in Freiburg und auch in Singen“. Der Verband vertritt die Interessen der betroffenen Familie. Sie hat Strafanzeige gestellt und wird anwaltlich von Mehmet Daimagüler vertreten, der Nebenklagevertreter im „NSU-Prozess“ war.
Dem Polizeipräsidium Konstanz ist der Vorfall in Singen nicht bekannt. Auch eine entsprechende Anzeige liege noch nicht vor, sagte Sprecher Uwe Vincon auf Anfrage. Sobald diese vorliege, würden die Vorwürfe sorgfältig geprüft. (epd/mig) Aktuell Panorama
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