Integrationsgipfel
Merkel: Integration hat heute einen anderen „Sound“
Der Nationale Aktionsplan Integration der Bundesregierung wurde beim Integrationsgipfel abschließend diskutiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel übte Selbstkritik, die Grünen zogen kritische Bilanz. Der DGB vermisst eine klare Absichtserklärung.
Mittwoch, 10.03.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.03.2021, 17:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Nationale Aktionsplan Integration der Bundesregierung ist komplett. Am Dienstag diskutierten Vertreter der Regierung, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (beide CDU), die darin vorgesehenen Maßnahmen mit Akteuren aus staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. „Wir alle sind Deutschland – das ist das Ziel“, sagte Merkel. Konkret ging es zum Abschluss unter anderem um politische Teilhabe sowie die Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund in Kultur und Medien, auch in Spitzenpositionen. Opposition und Gewerkschaften vermissen allerdings konkrete Ziele und Vorgaben im Aktionsplan.
Die Integrationsbeauftragte Widmann-Mauz legte ab 2018 Stück für Stück den Nationalen Aktionsplan Integration vor. Integration wird darin in fünf Phasen gegliedert, die aus der Perspektive eines Einwanderers Ankommen und Teilhabe in Deutschland begleiten und fördern sollen. Es beginnt mit Maßnahmen schon im Herkunftsland, geht über das Deutschlernen bis hin zur Integration in den Arbeitsmarkt und das Gesellschaftsleben inklusive politischer Teilhabe und Repräsentanz in Spitzenpositionen. Um die beiden letzten Schritte ging es beim Treffen am Dienstag, das wegen der Corona-Pandemie digital stattfand.
Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nahmen an dem Treffen mit rund 120 Vertretern aus Bund, Ländern, Kommunen, Migrantenorganisationen, Wirtschaft, Kultur, Medien und Sport teil. Am Plan insgesamt waren nach Angaben der Bundesregierung 300 Akteure beteiligt. 100 Maßnahmen wurden zu Papier gebracht.
Merkel selbstkritisch
Merkel betonte bei der Eröffnung des Treffens, Integration habe heute einen anderen „Sound“ als vor 15 Jahren. 2006 hatte sie den Gipfel und das Amt der Integrationsbeauftragten ins Leben gerufen. In den 15 Jahren habe man gelernt, dass Integration nicht nur bestimmte Gruppen, sondern die Gesellschaft insgesamt betreffe. Daniel Gyamerah, Vorstand im Verein „Each One Teach One“ sagte, das Brückenbauen dürfe nicht nur von Diskriminierten verlangt werden.
Selbstkritisch blickte Merkel auf die Diskussion der vergangenen Jahre zurück, die zuletzt stark von den rassistischen Morden in Hanau und Halle beeinflusst wurde. Die Beschäftigung mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Antisemitismus habe zu einer Vertiefung und „auch zu einer größeren Ehrlichkeit geführt“, sagte sie und verwies auf den Kabinettsausschuss zum Kampf gegen Rechtsextremismus, der im vergangenen Jahr ein eigenes Maßnahmenpaket vorgelegt hatte. Zusammenhalt erfordere Offenheit und Toleranz, sagte Merkel. Die Grundlage für Wohlstand und Erfolg liege im Zusammenhalt, ergänzte Staatsministerin Widmann-Mauz.
Grüne ziehen kritische Bilanz
Die Grünen zogen unterdessen eine kritische Bilanz der Integrationsarbeit der Bundesregierung. Der Gipfel lege gute Analysen vor, sagte die integrationspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Filiz Polat, dem epd. „Im Ergebnis bleibt es aber bei unverbindlichen Absichtserklärungen“, kritisierte sie. Konkret forderte sie eine Quote für Migranten in der Bundesverwaltung und ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz, das den Doppelpass grundsätzlich zulässt. Für viele Einwanderer gilt nach wie vor, dass sie sich als Erwachsene für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen.
Eine „klare Absichtserklärung“ vermisst auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). „In Deutschland leben rund zehn Millionen Menschen über 18 Jahre, die ohne deutschen Pass nicht berechtigt sind, an Bundestags- oder Landtagswahlen teilzunehmen“, sagte Vorstandsmitglied Anja Piel. Sie forderte, Einbürgerung zu erleichtern oder doppelte Staatbürgerschaft „umfassend und ohne Wenn und Aber zu ermöglichen“. (epd/mig) Leitartikel Politik
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