"Geste des Anstands"
Kabinett beschließt Staatsbürgerschaft-Regelung für Nachfahren von NS-Verfolgten
Bislang nicht berücksichtigte Nachfahren NS-Verfolgter sollen die deutsche Staatsbürgerschaft künftig leichter erhalten können. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßt die neue Regelung.
Donnerstag, 25.03.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 24.03.2021, 15:42 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mit einer Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts will die Bundesregierung dafür sorgen, dass bislang nicht berücksichtigte Nachfahren NS-Verfolgter die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. Das Bundeskabinett billigte einen Entwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), wonach künftig auch die Kinder und Enkel von Frauen, denen die Nationalsozialisten den Pass entzogen hatten, die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können, wie das Ministerium am Mittwoch in Berlin mitteilte. Sie seien bislang in „geschlechtsdiskriminierender Weise“ ausgeschlossen gewesen, heißt es. Das gleiche gilt für uneheliche Kinder deutscher Väter, die unter den Nationalsozialisten entrechtet wurden.
Der Gesetzentwurf enthält den Angaben zufolge zudem eine Wiedergutmachungsregelung, nach der bislang benachteiligte Gruppen binnen zehn Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit durch eine einfache Erklärung erhalten können. „Das ist keine bloße Wiedergutmachung, sondern Entschuldigung in tiefer Scham“, erklärte Seehofer. Seehofer hatte im August 2019 zwei Erlasse inkraft gesetzt, die die damals öffentlich thematisierten Benachteiligungen in den komplizierten Regelungen des Staatsangehörigkeitsrechts lindern sollten, war aber zunächst gegen eine gesetzliche Regelung.
Ein Sprecher des Ministeriums erläuterte am Mittwoch, dass der Erlass auf positive Resonanz bei Betroffenen gestoßen sei und die Regelung deswegen nun nach Ansprache innerhalb der Bundesregierung auf eine festere Grundlage gestellt werden solle.
Schuster: Geste des Anstands
Die zusätzliche gesetzliche Regelung solle nun kommen, nachdem der Erlass von Betroffenen positiv genutzt worden sei, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. „Die Bundesregierung bekennt sich damit zu ihrer gesetzlichen Verordnung“, ergänzte sie.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte: „In der Nazi-Zeit wurden unzählige deutsche Juden in die Flucht getrieben oder ausgebürgert. Außerdem waren Juden aufgrund rassistischer Gesetzgebung grundsätzlich vom Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Dieses Unrecht lässt sich nicht ungeschehen machen. Doch es ist eine Geste des Anstands, wenn ihnen und ihren Nachkommen rechtliche Möglichkeiten eröffnet werden, um die deutsche Staatsangehörigkeit wieder zu erlangen.“ Wenigstens die Nachkommen jener Menschen, die Deutschland damals nicht wollte, sollten nun ihren Platz als Staatsbürger hier finden können.
Angenommen, nicht entzogen
Das Grundgesetz spricht den Nachfahren von NS-Verfolgten grundsätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft zu. Im Artikel 116 des Grundgesetzes heißt es: „Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern.“
Probleme bei der Erlangung des deutschen Passes hatten aber Nachfahren jener Menschen, die in ein anderes Land emigriert sind, die dortige Staatsbürgerschaft angenommen und damit die deutsche verloren – aber nicht entzogen bekommen – haben. Ebenso waren Nachfahren verfolgter Mütter bei der Erlangung des Passes benachteiligt. Bis 1975 konnte die Staatsbürgerschaft nur über den Vater vererbt werden. Das gilt zwar schon lange nicht mehr. Dennoch gab es bis dahin bei bestimmten Fallkonstellationen eine unterschiedliche Behandlung nach Geschlecht. (epd/mig) Aktuell Panorama
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