Streit um Benin-Bronzen
Debatte um koloniale Raubkunst in deutschen Museen dauert an
Leerstellen mit Ansage: Die Benin-Bronzen aus dem heutigen Nigeria gelten als Prüfstein für die Zukunft von Afrikas Kulturschätzen im Berliner Humboldt-Forum. Die Bronzen sind zum Synonym für koloniales Unrecht geworden.
Von Sigrid Hoff Montag, 12.04.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 11.04.2021, 12:52 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Präsentation der Benin-Bronzen im Humboldt-Forum in Berlin wird immer fragwürdiger. Ab Herbst 2021 sollten rund 200 von insgesamt 440 Bronzearbeiten aus dem einstigen Königreich Benin im wiederaufgebauten Hohenzollernschloss präsentiert werden. Jetzt ist fraglich, ob sie überhaupt in Berlin bleiben oder doch rückerstattet werden.
Angestoßen wurde die neuerliche Debatte um die Kunstwerke von Hartmut Dorgerloh, dem Generalintendanten des neuen Kulturtankers in Berlins Mitte. Er hatte in einem Telefoninterview mit der „Süddeutschen Zeitung“ geäußert, bis September 2021 müsse eine Entscheidung über die Rückgabe der Skulpturen und Reliefs getroffen werden. Die Bronzen sollten den Höhepunkt der neuen Präsentation des Berliner Ethnologischen Museums im Humboldt-Forums bilden. Mit einer Restitution der Kunstwerke – ob vollständig oder nur in Teilen – könnte das Humboldt-Forum jedoch aus seinen bisher eher negativen Schlagzeilen kommen und die Bundesrepublik weltweit zum Vorreiter im Umgang mit kolonialer Raubkunst werden.
Synonym für koloniales Unrecht
Der Botschafter Nigerias, Yusuf M. Tuggar, bekräftigte in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von Anfang April die Rückgabeforderung seines Landes und beschränkte sich dabei nicht allein auf die Benin-Bronzen. Das einstige Königreich Benin liegt im Westen Nigerias.
Die Bronzen – 500 Jahre alte Gusstafeln, Gedenkköpfe sowie Tier- und Menschenfiguren aus dem Königspalast Benin – sind zum Synonym für koloniales Unrecht geworden. Die meisten dieser Kunstwerke befinden sich heute in Europa, im British Museum aber auch anderen britischen Museen, etwa im schottischen Aberdeen. Dort, wie auch in Cambridge, erwäge man ebenfalls die Rückgabe von Kunstwerken, schrieb kürzlich der Guardian.
Gewaltsam geraubt
Die nach London zweitgrößte Benin-Sammlung hütet das Ethnologische Museum in Berlin, gefolgt von den Museen in Leipzig und Dresden. Auch die Direktorin der ethnologischen Sammlungen Sachsens, Léontine Meijer-van Mensch, hat mehrfach betont, diese Werke müssten zurückgehen.
Bei den Bronzen steht, anders als bei anderen Kunstschätzen aus der Kolonialzeit, fest, dass sie gewaltsam geraubt wurden. 1897 hatten die Briten das Königreich Benin überfallen und den Palast geplündert. Die Bronzen gelangten als Trophäen nach London und wurden auf britische Museen verteilt oder versteigert. Rund 1.100 Bronzen erwarben deutsche Museen.
Afrikas Kampf um seine Kunst
Die neuen Besitzer im deutschen Kaiserreich hätten gewusst, dass sie Hehlerware kauften, sagt die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy. Die in Berlin und Paris lehrende Professorin, die Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron in Fragen der Restitution an die afrikanischen Nachfolgestaaten beriet, hat soeben ein Buch veröffentlicht unter dem Titel „Afrikas Kampf um seine Kunst“. Darin weist sie nach, dass erste Rückgabeforderungen unter anderem von Nigeria fast 50 Jahre alt sind.
Die Museumskuratoren befürchteten damals – wie heute auch – den Bedeutungsverlust ihrer Sammlungen und beanspruchten die alleinige Deutungshoheit für die Kunstwerke, deren koloniale Herkunft sie verdrängten. Für Bénédicte Savoy manifestiert sich darin „struktureller Rassismus“, der bis heute nachwirke. Das Argument, den Nachfolgestaaten in Afrika fehle es an Expertise und Infrastruktur, um die Artefakte angemessen aufzubewahren, habe unwidersprochen gegolten.
Gespräche mit Nigeria
Im Fall Benins gibt es mittlerweile Entwicklungen. Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu dem das Berliner Ethnologische Museum gehört, beruft sich auf Gespräche mit Nigeria im Rahmen der internationalen Benin Dialogue Group und die Pläne für ein Museum, das bis 2024 in Benin-City entstehen soll.
Die Vorstellung, im Humboldt-Forum künftig nur noch Repliken der Bronzen zu zeigen, so Parzinger jüngst in einem Beitrag in der F.A.Z., sei jedoch absurd und entspräche nicht dem Wunsch Nigerias. Man verhandele über Dauerleihgaben und Wechselausstellungen unter Beteiligung nigerianischer Kollegen. Bei der künftigen Präsentation müsse selbstverständlich die ganze Geschichte erzählt werden.
Kein Zeitrahmen
Botschafter Yusuf M. Tuggar betont hingegen in seiner Replik, Nigeria habe 2019 die Bundesregierung erneut zur Rückgabe aller geraubten Kulturgüter aufgefordert. Das jüngste Zusammentreffen des Abteilungsleiters für Kultur im deutschen Außenministerium, Andreas Görgen, mit nigerianischen Vertretern, darunter Museumsinstitutionen sowie dem Gouverneur des Bundesstaats Edo, auf dessen Gebiet das einstige Königreich Benin liegt, wertet er als wichtigen Schritt, um bilateral mit der Bundesrepublik zu einer Lösung zu kommen.
Noch stehen weder Zeitrahmen noch Konsequenzen fest, die eine Rückgabe der Benin-Bronzen aus Berlin für das Humboldt-Forum haben könnte. Das Humboldt Forum teilte Ende März lediglich mit, die Benin-Säle neu zu planen.
Politik hat letztes Wort
Das letzte Wort hat jedoch die Politik. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will noch für April ein Gespräch mit allen Beteiligten in Deutschland suchen und erklärte die Bronzen zum „Prüfstein für den Umgang Deutschlands mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“.
Vor fast 50 Jahren, argumentiert Kunsthistorikerin Savoy in „Afrikas Kampf um die Kunst“, habe man auf Zeit gespielt, das sei keine Option für die Zukunft. Es scheint, als ob ihr Appell Wirkung zeigt und der Ball ins Rollen kommt. (epd/mig) Feuilleton Leitartikel
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