Bundespräsident Steinmeier
„Nichts rechtfertigt Bedrohung von Juden“
Bundespräsident Steinmeier verurteilt antisemitische Proteste in deutschen Städten, der Zentralrat der Juden reagiert mit Sorge. Innenminister Seehofer kündigt die volle Härte des Rechtsstaates gegen Judenhass an. Muslime verurteilen Gewalt gegen Juden.
Montag, 17.05.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.05.2021, 15:55 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Anti-israelische Kundgebungen auf deutschen Straßen alarmieren den Zentralrat der Juden und die Politik. „Seit Tagen verbreiten Mobs in vielen deutschen Städten blanken Judenhass. Sie skandieren übelste Parolen gegen Juden, die an die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte erinnern“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Sonntag. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die antisemitischen Demonstrationen: „Nichts rechtfertigt die Bedrohung von Juden in Deutschland oder Angriffe auf Synagogen in unseren Städten“, sagte er in Frankfurt am Main. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte ein hartes Durchgreifen bei Angriffen auf jüdische Einrichtungen in Deutschland an.
„Antisemitismus darf nicht unter dem Deckmäntelchen der Versammlungsfreiheit verbreitet werden“, erklärte Schuster. Dagegen müsse die Polizei konsequent vorgehen. Der Präsident des Zentralrates der Juden forderte zugleich die muslimischen Verbände und Imame auf, mäßigend zu wirken. Angesichts der Eskalation der Gewalt im Nahost-Konflikt war es in den vergangenen Tagen bundesweit zu antisemitischen Demonstrationen und Gewalt gegen jüdische Einrichtungen gekommen.
Muslime verurteilen Gewalt gegen Juden
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, verurteilte die jüngste Gewalt gegen Synagogen in Deutschland. „Wer unter dem Vorwand von Kritik an Israel Synagogen und Juden angreift, hat jedes Recht auf Solidarität verwirkt“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die „widerlichen Attacken auf unsere jüdischen Mitbürger“ in den letzten Tagen verurteile er entschieden.
Der hessische Landesgeschäftsführer des türkisch geprägten Moscheeverbandes DITIB, Onur Akdeniz, erklärte, er beobachte „mit großer Besorgnis“, wie der palästinensisch-israelische Konflikt „missbraucht wird, um das emotionale Empfinden der muslimischen Gläubigen in Deutschland zu instrumentalisieren“. Wer die tragischen Geschehnisse missbrauche, habe sich „auf Abwege der prophetischen Tradition verirrt“. Dass die Proteste antisemitische und demokratiefeindliche Züge angenommen hätten, sehe man mit „großem Entsetzen“, so Akdeniz.
Politiker fordern Schutz jüdischer Einrichtungen
Bundesinnenminister Seehofer sagte „Bild am Sonntag“: „Wer antisemitischen Hass verbreitet, wird die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.“ Jüdinnen und Juden dürften in Deutschland nie wieder in Angst leben. „Wir werden nicht tolerieren, dass auf deutschem Boden israelische Flaggen brennen und jüdische Einrichtungen angegriffen werden“, unterstrich der Minister. Aufgrund der anhaltenden Übergriffe und anti-israelischen Demonstrationen bot Seehofer den Polizeien der Länder personelle und materielle Unterstützung durch den Bund an.
Weitere Regierungsmitglieder und Politiker hatten zuvor einen besseren Schutz jüdischer Einrichtungen und ein konsequentes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gefordert. „Die Versammlungsfreiheit gibt allen das Recht auf friedliche Demonstrationen. Wenn aber Synagogen angegriffen und Israel-Flaggen verbrannt werden, hat das mit friedlichem Protest nichts mehr zu tun“, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit enden, wo Judenhass beginnt“, sagte Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) der „Rheinischen Post“.
In Berlin kam es am Samstag bei einer Pro-Palästina-Demonstration mit mehreren tausend Teilnehmern zu Ausschreitungen und antisemitischen Bedrohungen. Die laut Polizei etwa 3.500 Teilnehmer skandierten in dem Aufzug israel- und judenfeindliche Parolen. So riefen sie unter anderem zur Bombardierung Tel Avis und zur Vernichtung Israels auf. Journalisten vor Ort wurden als „Hurensöhne“ beschimpft und mit Gegenständen beworfen, eine israelische Journalistin vor laufender Kamera mit einem Knallkörper attackiert.
Proteste in mehreren Stätten
In Frankfurt am Main versammelten sich am Samstag bis zu 2.500 Menschen zu einer Demonstration gegen Israel unter dem Motto „73 Jahre Nakba – Die fortdauernde Vertreibung in Palästina“. Rund 700 Gegendemonstranten kamen unter dem Motto „Solidarität mit Israel“ in der Nähe zusammen. Es habe keine Zwischenfälle gegeben, sagte ein Polizeisprecher.
Auch in Nordrhein-Westfalen gingen Menschen zu Protesten und Gegenprotesten auf die Straßen. In Köln, Münster und Bochum verliefen die Kundgebungen weitgehend friedlich, mussten aber teilweise wegen Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung vorzeitig aufgelöst werden.
Auslöser: Zwangsräumung von Palästinenser-Wohnungen
Hintergrund der Proteste ist der erneut eskalierende Konflikt zwischen Israel und Palästina. Auslöser waren drohende Zwangsräumungen von Wohnungen in Ostjerusalem, in denen Palästinenser leben. Seitdem spitzt sich die militärische Auseinandersetzung zu. Aus dem Gazastreifen werden Raketen auf Israel abgefeuert, im Gegenzug fliegt die israelische Luftwaffe Angriffe.
Dabei werden auch zivile Ziele beschossen. So protestierte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ gegen die Zerstörung eines Hochhauses in Gaza-Stadt, in dem sich auch die Büros internationaler Medien befanden. „Reporter ohne Grenzen ist empört darüber, dass die israelische Armee dieses Hochhaus offenbar gezielt zerstört hat“, erklärte Geschäftsfüher Christian Mihr am Sonntag. Medieninfrastrukturen seien immer zivile Objekte und müssten geschützt werden, erklärte Mihr. Medienbüros zu Kriegszielen zu erklären sei „ein Kriegsverbrechen.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama
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