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Experte

Abkommen mit Namibia zu Kolonialverbrechen ist Beleidigung

7 Milliarden für den Berliner Flughafen, 8 Milliarden für den Stuttgarter Bahnhof und nur 1,1 Milliarde für den Völkermord an Herero und Nama. Afrika Experte spricht von einem peinlichen Abkommen mit Namibia. Die wichtige Symbolhandlung sei zu einem peinlichen Akt verkommen.

Von Montag, 14.06.2021, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.06.2021, 14:33 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Vereinbarung zwischen Deutschland und Namibia zu den deutschen Kolonialverbrechen ist nach Ansicht des Afrika-Experten Henning Melber eine Beleidigung. „Die vorgesehene deutsche Zahlung von 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre ist schäbig“, sagte der frühere Forschungsdirektor des Afrikainstituts der schwedischen Universität Uppsala dem „Evangelischen Pressedienst“. Der Bau des Berliner Flughafens habe sieben Milliarden Euro gekostet, der Umbau des Bahnhofs in Stuttgart sei derzeit mit acht Milliarden Euro veranschlagt. „Setzen Sie das mal in Relation zu den 1,1 Milliarden für den eingestandenen Völkermord an den Ovaherero und Nama!“

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Daher rühre auch die Empörung in Namibia, wo die Vereinbarung derzeit hohe Wellen schlage, betonte der Deutsch-Namibier. „Wenn man einen Völkermord eingesteht, braucht es mehr als eine Geste der Anerkennung“, sagte er mit Blick auf die Wortwahl von Außenminister Heiko Maas (SPD). Die deutschen Kolonialtruppen schlugen zwischen 1904 und 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika Aufstände der Ovaherero, im deutschen Sprachgebrauch meist im Singular Herero, und Nama brutal nieder. Mehr als 80.000 Menschen kamen ums Leben.

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Von großem Symbol zum peinlichen Akt

Er bedaure das Ergebnis dieser wichtigen Initiative. „Denn es ist ja ein einzigartiger Schritt“, betonte der Politologe, der an Universitäten in Europa und Afrika lehrt. „Die Bundesregierung ist die erste westliche Regierung, die bereit ist anzuerkennen, dass man einen Völkermord begangen hat.“

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Diese Tatsache werde weltweit beobachtet und übe großen Druck auf andere ehemalige Kolonialmächte aus wie Frankreich, Belgien, Großbritannien, Spanien und Portugal. „Jetzt haben wir die fast tragische Situation, dass eine unglaublich wichtige Symbolhandlung mit Begleitumständen behaftet ist, die sie zu einem peinlichen Akt werden lässt.“

Fehler von Beginn an

Von Beginn an seien Fehler gemacht worden, betonte Melber. So seien nur kleine Vertretungen von Nachfahren der Opfer einbezogen worden. „Es wäre sinnvoll gewesen, vor den Verhandlungen mit Deutschland so viele Vertreter wie möglich an einen Tisch zu holen.“

Auch Deutschland hätte darauf achten müssen, um eine Situation wie der derzeitigen zu vermeiden. „Die namibische Regierung ist selber nicht mit dem Ergebnis zufrieden.“ Aber die wirtschaftliche Lage des Landes sei katastrophal, die von dem Geld finanzierten Entwicklungsprojekte sollten den Eindruck erwecken, dass die Regierung etwas erreicht habe.

Steinmeier soll sich vor Ort entschuldigen

„Es ist unterschätzt worden, auf welche Ablehnung das stößt.“ Fast die gesamte Opposition im namibischen Parlament werde dagegen stimmen. „Sie spricht mehr für die Ovaherero und Nama als die Regierung, erläuterte Melber. „Das müsste auch der deutschen Regierung zu denken geben.“

Auch die geplante Entschuldigung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Parlament sieht Melber kritisch. „Er müsste in die Gebiete reisen, wo die Ovaherero und Nama leben und sie direkt um Verzeihung bitten.“ Aber da sei die Gefahr von Protesten noch größer als in der Abgeordnetenkammer, wo Störungen ebenfalls wahrscheinlich seien. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. urbuerger sagt:

    Durch den Genozid wurden in Namibia 80.000 Menschen getötet, die der Entwicklung des Landes massiv gefühlt haben, um unter Umständen zu einem erfolgreichen Staat zu werden, denn es könnte ein Schwarzer Albert Einstein unter den getöteten gewesen sein!

    Was Deutschland hier mit der Summe von 1.1 Milliarden Euro auf eine immens lange Laufzeit ausgehandelt hat, sollte man ruhig als Peanuts verstehen, denn die namibische Regierung hat dem wohl nur auf Grund der sehr schlechten wirtschaftlichen Aussichten für ihr Land zugestimmt!

    Das die Bundesregierung die Situation der Namibier ausgenutzt hat, dürfte wohl offensichtlich sein!

    Auch wenn ich Urdeutscher bin, wie man so schön sagt, habe ich starke Bedenken, dass hier so gehandelt wurde, denn der Tod der Menschen auf Grund des Handelns der damaligen Regierung, ist nicht zu leugnen und das sollte die Regierung auch mit einer angemessenen Ersatzleistung anerkennen!

    Allerdings sehe ich die „Reparation“ nicht darin den Namibiern mehr Geld auf einmal zu geben, denn die Gefahr, dass diese Gelder in dunkle Kanäle verschwinden ist sehr hoch, auch wâre es möglich, dass diese Gelder in Waffen investiert werden, um dann das Volk wieder zu unterdrücken!
    Das wäre nicht der erste Vorfall dieser Art in Afrika!

    Meiner Meinung nach sollte man den Namibiern zu einer angemessenen Zahlung direkt an die Nama und Herero verhelfen und dem Staat wirtschaftliche Hilfen beim Aufbau des Landes rückzahlungsfrei zur Verfügung stellen, ohne zu versuchen wieder eine koloniale Abhängigkeit zu schaffen!

    Es wäre sicher möglich, dass dort Industrien angesiedelt werden, um beispielsweise Solar oder Windenergie zu erzeugen, um den daraus gewonnenen Wasserstoff nach Deutschland zu liefern!
    Man könnte dort Fertigungsindustrien ansiedeln helfen, um für jede Menge Arbeitsplätze zu sorgen!

    Es sollte eine Entwicklungshilfe gezahlt werden, die Zweckgebundene Ausgaben vorsieht, wie die Stärkung der Agrarwirtschaft und auch der Möglichkeit, die Gründung von Unternehmen erleichtert!

    Hier zu eine feste Summe zu benennen durfte sehr schwer sein, denn sie wird niemals hoch genug sein, für diejenigen, die bei dem Genozid Angehörige verloren haben!

    Aber um zu zeigen, dass man zu der Tat steht, sollte mehr für das Land getan werden, ohne eine feste Summe zu vereinbaren, man sollte eher ein Ziel setzen, welches den Beteiligten eine Verbesserung der Lebensumstände auf lange Zeit ermöglicht!!!

  2. Ute Plass sagt:

    „Schwarzsein. Über die Abwesenheit der Black Studies in der Erinnerungsdebatte“

    https://geschichtedergegenwart.ch/schwarzsein-ueber-die-abwesenheit-der-black-studies-in-der-erinnerungsdebatte/