Bundesfreiwilligendienst
Zwölf Monate für sich und die Gesellschaft
Vor zehn Jahren startete als Ersatz für den weggefallenen Zivildienst der Bundesfreiwilligendienst. Viele sind glücklich über das Angebot – darunter auch viele Personen mit Einwanderungsgeschichte. Es gibt aber auch Kritik.
Von Karsten Packeiser Donnerstag, 01.07.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.06.2021, 16:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Meistens übernimmt Aika Causing die Frühschicht, denn dann kann sie direkt nach Dienstende noch beim Sprachunterricht deutsche Vokabeln und Grammatik pauken. Die 29-Jährige, die von den Philippinen stammt, leistet seit April einen Bundesfreiwilligendienst im DRK-Krankenhaus in der rheinland-pfälzischen Kreisstadt Alzey. Hier bringt sie Patienten Frühstück und Mittagessen, legt Infusionen, misst Blutzucker- und Pulswerte. Seit mittlerweile zehn Jahren gibt es in der Bundesrepublik als Ergänzung zu anderen Freiwilligendiensten wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) den Bundesfreiwilligendienst.
Vor zehn Jahren, zum 1. Juli 2011, hatten die ersten Freiwilligen die Arbeit aufgenommen. Seither wuchs ihre Zahl mit der Zeit auf insgesamt über 400.000 an. Für das Bundesfamilienministerium ist die Entwicklung eine „Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert“. In einer Publikation zum Jubiläum heißt es: „Vom Einsatz profitieren alle: Viele Freiwillige kommen in ihren Einsatzstellen mit Lebensbereichen in Kontakt, die sie sonst vielleicht nie kennengelernt hätten.“
Sanfter Wiedereinstieg
Beim Start des Angebots stand der Gedanke im Mittelpunkt, die Zivildienstleistenden zu ersetzen, die den Einrichtungen nach der Aussetzung der Wehrpflicht fehlten. „Die Lücke ist nie gänzlich geschlossen worden“, sagt Jacob Bremicker, Abteilungsleiter Freiwilligendienste beim DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz und aktuell zuständig für rund 200 Freiwillige im Bundesland. Weil der Bundesfreiwilligendienst (BFD) freiwillig sei, habe das aber auch zur Folge, dass alle tatsächlich mit hohem Engagement bei der Sache seien.
Sowohl BFD als auch Freiwilliges Soziales Jahr dauern in der Regel zwölf Monate. Größter Unterschied ist die Öffnung des Bundesfreiwilligendienstes auch für über 27-Jährige. „Das sind Menschen, die sich noch einmal umorientieren möchten“, berichtet Annegret Höhmann von der Diakonie Hessen. Auch gebe es Fälle, in denen Frauen nach längerer Elternzeit in einem Freiwilligendienst einen „sanften Wiedereinstieg ins Berufsleben“ sehen. In Einzelfällen hätten sich sogar schon über 60-Jährige für eine Stelle beworben.
Kritik: Benachteiligung Freiwilliger
Auch zehn Jahre nach dem Start gibt es weiter grundsätzliche Kritik am BFD. Immer wieder werde aus Einrichtungen berichtet, dass mit Freiwilligen reguläre Arbeitsplätze ersetzt würden, klagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Katrin Werner. „Wir hätten gern einmal eine Auswertung zur Arbeitsmarktneutralität des BFD.“
Auch bei der Vergütung des Dienstes sieht sie weiter Nachbesserungsbedarf: Während etwa Wehrdienstleistende umsonst mit der Bahn fahren könnten, gebe es keine vergleichbare Regelung für den Bundesfreiwilligendienst. Bei Hartz-IV-Beziehern werde auch das während des Dienstes gezahlte Taschengeld auf die Sozialleistungen angerechnet. „Auch nach zehn Jahren ist da noch viel zu tun“, sagt die Politikerin.
Wohnsitz in Deutschland
Um einen Bundesfreiwilligendienst anzutreten, müssen Interessierte nur wenige Voraussetzungen erfüllen. Prinzipiell gilt: Wer einen Wohnsitz in Deutschland hat, kann sich bewerben. Aktuell gibt es meist wesentlich mehr freie Stellen zur Auswahl als Bewerber, daher stehen die Chancen nicht schlecht, im gewünschten Arbeitsbereich unterzukommen.
Für Aika Causing steht schon fest, dass sie nach dem BFD-Jahr Krankenschwester werden möchte, nachdem sie vorher lange als Kellnerin in einem Hotel gearbeitet hatte. Für sie ist der Bundesfreiwilligendienst die ideale Möglichkeit, sich mit den Abläufen in einem Krankenhaus vertraut zu machen, denn für den Beginn einer Ausbildung benötigt sie noch ein Deutsch-Zertifikat. Grundsätzlich stehe ihre Entscheidung aber fest: „Der Beruf ist sicher, man wird immer gebraucht.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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