Kerims Corner
Grammatik ist für Anfänger
Jeder Mensch kämpft ein Leben lang vergeblich gegen irgendetwas. Manche gegen Schokolade, andere gegen Rückenbehaarung, den Chef oder die eigene Frau. Meine Landsleute, vor allem der ersten und zweiten Generation, kämpfen ein Leben lang gegen die deutsche Sprache.
Von GastautorIn Mittwoch, 03.03.2010, 8:07 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 04.03.2010, 11:51 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Jeder Mensch kämpft ein Leben lang vergeblich gegen irgendetwas. Manche gegen Schokolade, Pollen und schlechte Tönungen. Andere gegen Rückenbehaarung, den Chef oder die eigene Frau, was bei vielen dieselbe Person ist. Meine Landsleute, vor allem der ersten und zweiten Generation, kämpfen ein Leben lang gegen die deutsche Sprache.
Täglich eifern sie Sisyphos nach und schleppen den unförmigen und vor allem sehr sperrigen deutschen Sprachfels den Berg hoch, im Wissen, dass er ihnen kurze Zeit später wieder auf die Füße fällt. Was sie natürlich nicht daran hindert, den nächsten Versuch zu starten, sich die deutsche Sprache vielleicht doch noch untertan zu machen. Dabei greifen sie zu Werkzeugen, die eher zur Ausstattung eines Dachdeckers gehören als der eines plastischen Chirurgen.
Kerim Pamuk ist ein Hamburger Schriftsteller und Kabarettist türkischer Herkunft. Geboren wurde Pamuk in einem Dorf an der türkischen Schwarzmeerküste. Als Neunjähriger kam er nach Deutschland. Er schaffte es, innerhalb von zwei Jahren Deutsch zu lernen, absolvierte die Realschule, das Aufbaugymnasium, machte Abitur und studierte Orientalistik. Weitere Informationen gibt es unter www.kerimpamuk.de
So wie der Schwabe gerne überall ein „sch“ reinhaut, wo eigentlich keines hingehört und „isch“ statt „ist“ und „musch“ statt „musst“ sagt, packt der sprachaffine Gemüsetürke in Begriffe ein „ü“ rein, wo selbst ein Philologe sie nicht vermuten würde. Er schreibt mit dickem Edding „Weilnüs 2,50“ oder verkauft „Apfelmüs“ im Tetrapack. Und an seiner Eingangstür weist ein – natürlich quietschgelbes – Schild korrekt auf die „Ladenschulüszeiten“ hin. Er wäre nicht vorbildlich integriert, wenn er von seiner Kundschaft nicht die deutsche Gründlichkeit übernommen hätte. Darum gibt es bei ihm, was es sonst nirgendwo auf der Welt gibt, farbiges Grünzeug: „Petersilie – bunt 1,20“, „Basilikum – bunt 1,50“. Und warum sich um Orthographie scheren, wenn man die eigene Lautmalerei zum einzig gültigen Kriterium erheben kann. Oder gibt es irgendeinen Zweifel, was mit seinem „Angebott – Oberginen nur 3,15“ gemeint sein könnte?
Sein wahrer Konkurrent auf dem Weg zur deutschen Sprachmeisterschaft ist nicht der Germanistikprofessor oder die mit verziertem Holz behängte Deutschlehrerin, der er generös drei Tomaten extra in den Einkaufskorb packt, weil sie immer so verständnisvoll lächelt. Sondern der Dönerlandsmann um die Ecke. Bei dem gibt es je nach Tageszeit „auf schaaf“, „mit schaaf“ oder „mit ohne schaaf, ne“. Selbstverständlich gibt es alle Gerichte auch zum Mitnehmen: „Alle essen auser haus“. Dazu beherrscht er die Kunst gepflegter Konversation aus dem Effeff und begrüßt jeden Kunden mit „Hallo, mein Freund, wie geht? Alles gutt? Oder muss?“ bevor der überhaupt seinen Fuß über die Türschwelle gesetzt hat.
Die nächsten Auftritte Kerim Pamuks:
- 11.03.10, Nürnberg, Stadtteilbibliothek im Südpunkt, Lesung ALLAH VERZEIHT..
- 12.03.10, Lemgo, Stadtbücherei, Lesung ALLAH VERZEIHT..
- 17.03.10, Hannover, Werkstatt-Galerie Calenberg, Lesung ALLAH VERZEIHT..
- 18.03.10, Kassel, Kulturzentrum Schlachthof, LEIDKULTUR -kabarett oriental-
- 19.03.10, Kiel, KulturForum, PAMUKS KÜMMEL KLUB mit Gästen
Ästhetisch ist der Dönermann seinem Gemüselandsmann um mindestens eine Schnurbartlänge voraus und geht stets mit der Zeit. Früher prangte eine riesige Fahne an seinem Imbiss, auf der ein feister, dickbäuchiger Türke mit Kochmütze und riesigem Säbelmesser über alle Goldzähne lächelte. Neben ihm ein gigantischer blutiger Spieß. Auf Passanten sollte diese Fahne wohl appetitanregend wirken, aber vermutlich war sie nur bei bulimischen Models auf der Suche nach Brechreizen beliebt. Natürlich wurde die Fahne modifiziert und der dicke türkische Mann durch eine dicke türkische Mama ersetzt. Auf der aktuellen Fahne lächelt jetzt eine junge, schlanke Türkin verführerisch neben einem nicht mehr ganz so blutigen Spieß, der immer noch die besten Zutaten der Fleischresteverwertungsindustrie enthält. Überflüssig zu erwähnen, dass der Chef de Döner gerne von seinem „süper Schipiss“ redet, wenn er sein gegrilltes Pressfleisch anpreisen will. Feuilleton Meinung
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Ein wunderbarer Artikel, ich habe herzlich gelacht – Danke dafür.
Erinnert es mich doch an meine eigenen türkischen Spracherlebnisse:
Ich unterhalte mich auf türkisch mit meiner Freundin Fatma, die interessiert zuhört und mich immer wieder bestätigt. Mein Sohn, der wesentlich schneller und besser türkisch lernte als ich sagte: „Mama, ich habe kein Wort verstanden, was du gesagt hast. “ „Du nicht mein Sohn, aber Fatma hat alles verstanden.“
Ich mach vorshlak:
Deitsh nix brauch ardiggel, nix brauch grammadig.
Is auh bessa für Deitshe leit. die auch spreha schlehte deitsh mach fela vill in shul un kinda lerna lerna aba shlechte not grig un nix kenna lesa bild zeidung.
gommunigasion is wihtig, nix grammadig.
gibd indegradionskurs, da gibd brifung un zerdifigad, da nix vill grammadig brauch, da nur versteh is wihtig. du her un versteh, du lies un versteh, un du bissl schreib, aba briffer kan les gibd gude not, dann mindlih du red fix un is alls gude.
gesez brauch: nix auslenda raus, ne, is bled,
grammadig raus!
„süper Schipiss“ und „Du nikis meine Schef, du Aschlog,..“
:) :) :) :) :) :) :D :D
ich kann nicht mehr…