„Es ist ein Skandal“
Prozess drei Jahre nach Neonazi-Überfall auf Journalisten in Thüringen
Drei Jahre nach dem brutalen Überfall auf Journalisten beginnt der Prozess gegen zwei Neonazis. Die Opferberatungsstelle ezra erhebt schwere Vorwürfe gegen die Strafverfolgungsbehörden: Verschleppung, Verharmlosung, Täter-Opfer-Umkehr.
Dienstag, 07.09.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.09.2021, 9:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mehr als drei Jahre nach dem Überfall auf zwei Journalisten im nordthüringischen Fretterode beginnt am Dienstag vor dem Landgericht Mühlhausen der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen rechtsextremen Angreifer. Es sei ein Skandal, dass der brutale Angriff, den die Betroffenen nur durch Glück überlebt hätten, nicht als versuchtes Tötungsdelikt eingeordnet werde, sagte Theresa Lauß von der Opferberatung ezra, am Montag in Erfurt. Die Anklage lautet auf schweren Raub.
Laut Lauß waren die Journalisten im April 2018 bei Recherchen im Wohnumfeld eines NPD-Funktionärs von den Tätern mit Schraubenschlüssel und Messer angegriffen und mit dem Auto verfolgt worden. Beide Opfer hätten erhebliche Verletzungen davongetragen. Die Neonazis hätten zudem die Fotoausrüstung geraubt und das Auto zerstört.
„Verschleppte Verfahren“
Die Einordnung der Tat als schweren Raub ist laut Lauß „hochgefährlich und verkennt auch die Dimension militanter, organisierter Neonazistrukturen, aus denen diese Tat begangen wurde“ Das Netzwerk, in dem sich die Tatverdächtigen und seine Unterstützer bewegen, sei aufgrund des „inkonsequenten Handelns der Strafverfolgungsbehörden jahrelang ungestört“ gewachsen.
Im Hinblick auf die „verschleppten Verfahren und die skandalösen Urteile“ in Prozessen gegen militante Neonazis wie etwa im sogenannten Ballstädt-Verfahren hätten sowohl die Betroffenen, deren Nebenklagevertreter als auch ezra keine allzu hohen Erwartungen an das Gericht. „Bereits im Verlauf des Verfahrens zeigte sich das inkonsequente Handeln der Strafverfolgungsbehörden – der Fall Fretterode steht wie viele andere rechte und rassistische Angriffe exemplarisch für das Justizproblem in Thüringen“, sagte Lauß.
Täter-Opfer-Umkehr
Trotz eindeutiger Zeugenaussagen und Fotos der Täter, seien nach der Tat beispielsweise keine Haftbefehle ausgesprochen worden. Durch Aussagen der Staatsanwaltschaft sei in der Öffentlichkeit sogar die Glaubwürdigkeit der Betroffenen in Frage gestellt worden. „Auch in den letzten Tagen wurde Täter-Opfer-Umkehr deutlich“, heißt es in einer Mitteilung von ezra.
Die nächsten Prozesstermine sind für den 9. und 13. September angesetzt. Insgesamt sind elf Prozesstagen angesetzt, das Ende vorerst für den 18. Oktober terminiert. Damit die Angeklagten und deren rechtes Umfeld nicht im bzw. vor dem Gerichtssaal einen Angstraum schaffen können, ruft ezra zur kritischen Prozessbeobachtung und -begleitung auf. (epd/mig) Aktuell Panorama
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