Journalistin El-Hassan
Journalistin El-Hassan: Schäme mich für Teilnahme am Al-Kuds-Marsch
Nemi El-Hassan, die 2014 an einer israelfeindlichen Demonstration teilgenommen hat, soll vorläufig nicht wie geplant als Moderatorin beim WDR zum Einsatz kommen. Die 28-Jährige blickt kritisch auf ihr Leben und sagt: „Ich hasse Israel nicht.“
Freitag, 17.09.2021, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.09.2021, 15:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Journalistin Nemi El-Hassan hat den Vorwurf des Antisemitismus zurückgewiesen und die Teilnahme an einer israelfeindlichen Al-Kuds-Demonstration 2014 in Berlin mit Unwissenheit erklärt. „Mir war nicht klar, dass diese Demos durch das iranische Regime ins Leben gerufen wurden“, sagte die 28-Jährige dem „Spiegel“. El-Hassan hätte ab November das Wissenschaftsmagazin „Quarks“ im Westdeutschen Rundfunk (WDR) moderieren sollen. Nach Bekanntwerden der Demo-Teilnahme und weiterer Anschuldigungen im Zusammenhang mit Judenhass und Israelfeindlichkeit hatte der WDR am Dienstag erklärt, bis zur Klärung der Vorwürfe die Zusammenarbeit auszusetzen.
In dem am Mittwochabend online veröffentlichten „Spiegel“-Interview sagt El-Hassan: „Ich war seit 2014 auf keiner Al-Kuds-Demo mehr. Ich hasse Israel nicht.“ Sie habe 2014 angesichts einer israelischen Offensive im Gazastreifen ihre Solidarität mit Palästinenserinnen und Palästinensern ausdrücken wollen. „Dass diese Demo auf jeden Fall das falsche Mittel dafür war, das sage ich heute ganz klar“, sagte die Journalistin. Sie habe nicht wegen einer antisemitischen Grundhaltung teilgenommen. Sie sei „einfach komplett unreflektiert und uninformiert gewesen“.
Der Al-Kuds- oder Jerusalemtag wurde 1979 vom damaligen iranischen Revolutionsführer Ajatollah Khomeini initiiert und ruft die Muslime zur Eroberung Jerusalems und zur Zerstörung Israels auf. Im Iran ist dieser Tag offizieller Feiertag.
„All das tut mir sehr leid.“
„Viele meiner damaligen Bekannten aus dem konservativ-schiitischen Umfeld gingen dorthin“, schilderte El-Hassan, deren Eltern im Libanon aufgewachsen und 1991 nach Deutschland gekommen seien. Sie habe sich vor sieben Jahren keine Gedanken über den Hintergrund der Demonstration gemacht, wie sie das heute machen würde. Mittlerweile sei sie „auch nicht mehr in diesem konservativen Umfeld unterwegs. Ich gehe nicht mehr in diese Moscheen. Vieles ist mir persönlich zu eng geworden“, sagte sie dem „Spiegel“, der nach eigenen Angaben wenige Stunden vor der Information des WDR über das Aussetzen der Zusammenarbeit mit El-Hassan sprach.
Es sei sehr schmerzhaft für sie, „über den Menschen nachzudenken, der ich damals war“. Sie habe diesen Teil ihrer Geschichte verdrängt. „In meiner Erinnerung habe ich lange geglaubt, nur Dinge wie ‚Free Gaza‘ gerufen zu haben. Jetzt, wo ich diese Zeit meines Lebens reflektiere, kann ich nicht ausschließen, Dinge gesagt zu haben, die antizionistisch sind und Israelfeindlichkeit bedienen“, sagte El-Hassan und fügte hinzu: „All das tut mir sehr leid. Ich schäme mich für diese Zeit.“ Heute sei ihr klar: „Das ist keine Demo, auf der man sich blicken lassen sollte, wenn man für eine pluralistische Gesellschaft einstehen möchte, wie ich das tue.“
„Aber ich bin nicht konservativ.“
Die Journalistin bezeichnet sich in dem Interview als Muslimin: „Aber ich bin in keiner Weise konservativ. Ich möchte, dass jeder Mensch unabhängig von seiner religiösen Überzeugung sich entfalten kann.“ Nemi El-Hassan ging nach ihrem Medizinstudium in den Journalismus und war unter anderem Mitbegründerin des Youtube-Kanals „Datteltäter“, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in satirischen Videos mit Vorurteilen gegen Muslime aufzuräumen.
Erst am Freitag vergangener Woche hatte der WDR El-Hassan und Florence Randrianarisoa als neue Moderatorinnen der Wissenschaftssendung „Quarks“ angekündigt. Sie sollten im Wechsel mit Ralph Caspers die Sendung moderieren. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen