Statement gegen Rassismus
Der Sänger und Komponist Paul Simon wird 80
Mit „Simon & Garfunkel“ war Paul Simon in den 60er Jahren ein Superstar. Als Solokünstler ist der US-Amerikaner bis heute erfolgreich. Mit afrikanischen Musikern machte er „Weltmusik“, und er setzte ein Zeichen gegen die Rassentrennung in Südafrika.
Von Alexander Lang Mittwoch, 13.10.2021, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.10.2021, 19:55 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Eine innige Hassliebe verbindet die beiden alten Männer. Zwar versuchen es Paul Simon und sein musikalischer Partner Art Garfunkel immer wieder miteinander. Doch das wohl erfolgreichste Duo der Popgeschichte „Simon & Garfunkel“ bleibt seit mehr als 50 Jahren zerstritten wie Katz und Maus. Schon als Schuljungen machten die beiden New Yorker als „Tom & Jerry“ zusammen Musik. Nun wird der kreative Kopf, der Sänger und Komponist Paul Simon, 80 Jahre alt. Am 13. Oktober 1941 wurde der Sohn jüdisch-ungarischer Einwanderer in Newark im US-Bundesstaat New Jersey geboren.
Wenn es nach den Fans ginge, hätte sich das Folk-Rock-Duo, das von 1965 bis zu seinem Ende 1970 weltweit riesigen Erfolg hatte, nie auflösen dürfen. Mit ihren melancholischen Songs mit oft nachdenklichen Texten trafen „Simon & Garfunkel“ den Nerv der Zeit. Bis heute verkauften sie mehr als 100 Millionen Tonträger. Zeitlos sind perfekt arrangierte Songs wie „Sound Of Silence“, „Mrs. Robinson“, „The Boxer“, „Scarborough Fair“ und besonders die Jahrhundertballade „Bridge Over Troubled Water“.
Paul Simon schrieb die gefühlvollen Melodien sowie die anspruchsvollen Texte, in denen es oft um Einsamkeit und die Entfremdung der Menschen voneinander ging. Der fast gleichaltrige Art Garfunkel – er wird am 5. November ebenfalls 80 Jahre alt – prägte mit seiner hohen Stimme Simons Musik, die dadurch manchmal nur scharf am Kitsch vorbeiging. Die kluge „Mischung von Emotion, Kopf und Geist“ sei das Erfolgsrezept Simons, urteilte der Popkenner und Radiomoderator Peter Urban in einem NDR2-Interview.
Mitbegründer der „Weltmusik“
Paul Simon mit seinem großen Songkatalog aus fast 60 Jahren gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten. In den 70er Jahren schloss sich für ihn eine erfolgreiche Solokarriere an. Durch seine Kooperation mit südafrikanischen Musikern wurde er Mitte der 80er Jahre zu einem Mitbegründer der „Weltmusik“, in der sich afrikanische und westliche Musikstile mischen. Kürzlich verkaufte der als schüchtern geltende musikalische Perfektionist und 16-fache Grammy-Gewinner die Songrechte an seinem Lebenswerk für rund 250 Millionen US-Dollar.
Schon als Literaturstudent arbeitete Simon als Songschreiber für Musikverlage. Gemeinsam mit seinem Schulfreund, dem Architekturstudenten Art Garfunkel, unternahm er in der Folkszene von Greenwich Village in New York erste musikalische Gehversuche. Mit harmonisch-süßlichem Satzgesang sangen sie zur Gitarre anders als linke Folksänger wie Bob Dylan nicht über die ungerechte Welt: Ihre Texte waren weniger politisch, sondern offenbarten tiefe Blicke in die menschliche Seele.
In der Folk-Szene
Als der Erfolg in New York zunächst ausblieb, reiste Simon 1964 allein nach London, fasste dort Fuß in der florierenden Folk-Szene. Der zuvor aufgenommene Song „Sound Of Silence“ wurde, neu arrangiert mit Schlagzeug und elektrischer Gitarre, veröffentlicht – und ein 1965 ein Riesenhit. Das düstere Lied über gefühlstote Konsummenschen, die blind einem „Neongott“ folgen, wurde zum ersten Nummer-eins-Hit des Duos in den USA.
Spätestens der Hollywood-Film „Die Reifeprüfung“ (1967), in dem der Schauspieler Dustin Hoffman in der Rolle des jugendlichen Liebhabers einer verheirateten Frau (Anne Bancroft) reüssierte, machte die leisen Folk-Rocker weltbekannt. Dazu bot das Duo den Titel „Mrs. Robinson“.
Überschreitung kultureller Grenzen
Im Streit über „Bridge Over Troubled Water“ kam es 1970 zum Bruch zwischen Simon und Garfunkel – auf dem Höhepunkt des Erfolgs. Letzterer wollte Simons vielleicht schönsten Song nicht singen, in dem es um Gemeinschaft und Vertrauen geht. Simon war verärgert – und schwamm sich künstlerisch frei: 13 Studioalben als Solist folgten bis heute, immer wieder jedoch rauften sich „Simon & Garfunkel“ für einzelne Auftritte zusammen.
Ihr Gratiskonzert im New Yorker Central Park im Jahr 1981 vor rund 500.000 Zuschauern gilt als eines der besten Livekonzerte überhaupt. Zehn Jahre später trat Simon am selben Ort vor 750.000 Menschen auf – diesmal ohne Garfunkel. 1986 überschritt er mit seinem Album „Graceland“ kulturelle Grenzen: Er nahm es gemeinsam mit südafrikanischen Musikern auf, machte dadurch deren Musik in westlichen Ländern bekannter.
Statement gegen Rassentrennung
Das Album war auch ein Statement gegen die Rassentrennung und Unterdrückung der Schwarzen in dem damaligen Apartheid-Staat Südafrika. Er habe die „unglaubliche Kultur“ afrikanischer Künstler zeigen wollen – und auch, dass Schwarze und Weiße gut zusammenarbeiten könnten, sagte Simon in einem Radio-Interview. Südafrikanische politische Aktivisten kritisierten das Projekt jedoch hart: Er habe den UN-Kulturboykott gegen Südafrika gebrochen und schwarze Musiker ausgebeutet, befand etwa die Unabhängigkeitsorganisation ANC.
Paul Simon, der immer wieder demokratische US-Präsidentschaftskandidaten unterstützt hat, sieht sich als ein Vermittler, der auch die Menschen in den politisch zerrissenen USA zusammenführen will. „Wir brauchen Brücken, damit sich das Land vereinen kann“, sagt der Mann, der 2018 seinen Rückzug von der Bühne ankündigte. Dazu setzt er ein, was er hat: seine Stimme und seine Songs. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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