Studie & Gutachten belegen
Ausländerzentralregister verletzt Datenschutz und Grundrechte
Ein Gutachten kommt zu einem vernichtenden Ergebnis: Das Ausländerzentralregister ist verfassungswidrig und diskriminiert Millionen Menschen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte kündigt Klagen an. Eine derart umfangreiche Datensammlung über Deutsche wäre undenkbar, heißt es.
Freitag, 14.01.2022, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 14.01.2022, 16:29 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das deutsche Ausländerzentralregister verletzt laut einer Studie und einem Rechtsgutachten Datenschutzstandards und die Grundrechte von Millionen Betroffenen. Zu viele Behörden könnten dort auf zu viele Daten für zu unterschiedliche Zwecke zugreifen – ohne ausreichende Kontrolle, kritisierte die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) als Auftraggeberin der Studie am Donnerstag in Berlin. Migranten- und Menschenrechtsorganisationen weisen schon länger auf Datenschutzmängel hin.
Mit etwa 26 Millionen personenbezogenen Datensätzen sei das Ausländerzentralregister eines der umfangreichsten automatisierten Register, hieß es. Es stehe mehr als 16.000 öffentlichen Stellen zur Verfügung. Wenn Hunderttausende Mitarbeiter von Ausländerbehörden, Polizei- und Strafverfolgungsbehörden, Nachrichtendiensten, Jobcentern, Jugendämtern und Gerichten auf so viele, teils hochsensible Daten zugreifen können, sei das Missbrauchspotenzial enorm, kritisierte die GFF-Juristin und Studienautorin Sarah Lincoln.
Sie warnt vor einer weiteren großen Gefahr: „Im schlimmsten Fall geraten Daten wie Adresse, sexuelle Orientierung oder politische Überzeugung in die Hände von rassistisch motivierten Straftätern oder Verfolgerstaaten und bringen Betroffene so in Lebensgefahr.“
Unverhältnismäßig
Es sei dabei rechtlich nichts dagegen einzuwenden, Grunddaten über Nicht-Deutsche zum Zwecke der Migrationsverwaltung zu speichern: „Das Ausländerzentralregister verletzt aber dort Grundrechte und Datenschutzstandards, wo unzählige weitere Datensätze gespeichert werden, die dann zum Beispiel von Sicherheitsbehörden für völlig andere Zwecke genutzt werden können.“ Besonders betroffen hiervon seien Geflüchtete, über die neben Grundpersonalien, Adresse, Foto und aufenthaltsrechtlichen Angaben auch biometrische Daten sowie Angaben zu Gesundheit, Bildung, Familie und Fluchtgründe gespeichert würden.
„Der Umfang der gespeicherten Daten ist unverhältnismäßig. Wofür soll es erforderlich sein, künftig sogar die Asylbescheide mitsamt hochsensiblen Angaben zu Flucht, psychischer Verfassung oder politischer Verfolgung zentral zu speichern und tausenden Behörden zugänglich zu machen?“, fragt Lincoln.
„Erhebliche Diskriminierung“
An der Studie werde zudem deutlich, dass es an effektiven Kontrollmechanismen und Transparenz fehlt. Die GFF habe 13 Betroffene dabei unterstützt, Auskunft zu den über sie im Ausländerzentralregister gespeicherten Daten zu beantragen und habe festgestellt: „Das Antragsverfahren ist mühsam, die Antworten verzögerten sich monatelang und waren unvollständig“, so die Expertin.
Lincoln macht auch eine „erhebliche Diskriminierung“ fest: Eine derart umfangreiche Datensammlung über deutsche Staatsbürger, auf die unter anderem alle Polizeibehörden nach Belieben zugreifen können, wäre undenkbar, kritisiert die Juristin. „Bei Geflüchteten und anderen Migranten setzt sich die Bundesregierung seit Jahren über geltendes Recht hinweg“, erklärt Lincoln und kündigt gemeinsam mit Betroffenen „strategische Klagen gegen die verfassungswidrigen Regelungen des Ausländerzentralregistergesetzes“ an. (mig) Leitartikel Panorama
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