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Neustart

Wie eine Gemeinde besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aufnimmt

In einem Modellprojekt helfen Ehrenamtliche Geflüchteten, in Deutschland anzukommen. Das Erfolgsrezept: Die Aufgaben werden auf viele Schultern verteilt, und die Ehrenamtlichen übernehmen für die ersten zwei Jahre die Wohnungsmiete.

Von Dienstag, 01.02.2022, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.01.2022, 19:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Fertig“: Das ist das erste Wort der fremden Sprache, das Hibo Mohamed verinnerlicht hat. Weil die Deutschen „fertig“ so oft gebrauchen. Als die 30-jährige Somalierin diesen Eindruck mithilfe eines Dolmetschers übermittelt, brechen ihre Unterstützerinnen in Lachen aus. Und man ahnt, dass es gelingen könnte: Ein Team aus Einheimischen nimmt eine geflüchtete Familie unter seine Fittiche und sorgt für gutes Ankommen in Deutschland.

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Es ist eine bunte Gesellschaft, die an diesem Samstag in der Evangelischen Kirchengemeinde Schale bei Osnabrück zusammenkommt: Hibo Mohamed, ihr Ehemann Abdirashid und ihre beiden Kinder. Dazu zwei ehrenamtliche Dolmetscher, drei Frauen aus dem Singkreis der Gemeinde und das Pastorenehepaar Annette und Roland Wendland. Sie wollen gemeinsam den „Neustart im Team“ (NesT) wagen.

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So heißt das Programm, das die Bundesregierung vor gut zwei Jahren gestartet hat. Das Ziel: Besonders schutzbedürftige Menschen aus Krisenregionen dieser Welt sollen mithilfe guter Begleitung der Zivilgesellschaft nach Deutschland geholt werden und dort Wurzeln schlagen. Mindestens fünf Ehrenamtliche müssen sich dafür zusammentun. Sie sollen sich nicht nur im Alltag um die Geflüchteten kümmern, sondern auch eine Wohnung für sie suchen – und die ersten beiden Jahre die Mietkosten übernehmen. Fast 70 Teams gibt es bundesweit bislang. Dass es nicht mehr sind, hat auch mit Corona zu tun.

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Wohnung und Möbel

Die Familie aus Somalia, die im Osnabrücker Land eine Zukunft sucht, hat schlimme Zeiten hinter sich: Sie lebte mehr als sieben Jahre in Äthiopien, weil in ihrer Heimat Krieg und Terror herrschen.

Am 2. September 2021 landen die Geflüchteten in Frankfurt am Main. Schon bei der Ankunft zeigt sich, dass das NesT-Team gut vorbereitet ist: „Ohne den ehrenamtlichen Dolmetscher, der uns zum Flughafen begleitet hat, hätten wir nicht gewusst, wen wir mitnehmen sollen“, erzählt Roland Wendland. Bereits im Mai hatten die Helferinnen mit Hilfe von Kirchengeldern eine kleine Wohnung angemietet: Aufrufe im Gemeindeblatt überzeugten eine Vermieterin, beim Neustart mitzuhelfen. Für die Wohnungseinrichtung sorgten die Ehrenamtlichen.

„Ihr seid gute Menschen.“

Die neu Angekommenen erweisen sich als lernbegierig. Der Sprachkurs, den die Kirchengemeinde auch für andere Geflüchtete anbietet, interessiert sie sehr. Viermal die Woche fährt eine der Ehrenamtlichen die Eltern deshalb im Wechsel aus dem zwölf Kilometer entfernten Dorf, in dem die Familie wohnt, zum Unterricht und zurück.

„Wir haben Glück, dass ihr uns da rausgeholt habt“, lässt Abdirashid übersetzen. „Dafür sind wir sehr dankbar. Ihr seid gute Menschen.“ Die Ehrenamtliche Martha Hesselmann bemerkt grinsend: „Das wird sich zeigen!“ und erntet Lachen. Die 68-Jährige beschreibt den Gewinn, den ihr das Projekt bringt, so: „Ein anderer Wind weht uns um die Nase.“ Ihre 53-jährige Mitstreiterin Ute Bußmann möchte „Einblicke in eine andere Kultur bekommen“. Und Karin Linke (63) ist dabei, „weil sie den Menschen weiterhelfen will“.

Staat wälzt Aufgabe ab

Auch dem Pastoren-Ehepaar ist das Projekt ein Herzensanliegen, seit Jahren engagiert es sich für Geflüchtete. Neu an NesT sei, „dass wir die Leute vorher nicht kennen“, sagt Roland Wendland. Der Pastor kennt die Kritik am Programm: Der Staat wälze seine Aufgabe an Privatleute ab. In gewisser Hinsicht stimme das. Aber: „Wir ersparen den Menschen, dass sie auf ganz gefährlichen Wegen nach Deutschland kommen.“

Ohne die Hilfe einer somalischen Familie aus dem Nachbardorf würde es nicht klappen, sagt der Pastor. „Die gehen mit einkaufen, kümmern sich sehr und sind Gold wert.“ Noch eine wichtige Aufgabe kommt ihnen zu: Sie dienen als Vorbilder, sprechen gut Deutsch und können für sich sorgen, weil der Mann einen Job bei einem Maschinenbauer gefunden hat. Abdirashid hat verstanden, was von ihm erwartet wird. In seiner Heimat war er Lastwagenfahrer, später verkaufte er Tee an einem kleinen Kiosk. „Wir werden tun, was wir tun können.“ (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel

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