Racial Profiling
Gericht: Kontrolle aufgrund der Hautfarbe rechtswidrig
Eine polizeiliche Personenkontrolle verstößt gegen das Grundgesetz, wenn sie aufgrund der Hautfarbe erfolgt. Das hat das Verwaltungsgericht Dresden entschieden. Geklagt hatte ein Mann, der es satthatte, von der Polizei immer wieder anlasslos kontrolliert zu werden.
Donnerstag, 03.02.2022, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 03.02.2022, 8:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die polizeiliche Kontrolle eines Bahnreisenden verstößt gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, wenn sie aufgrund seiner Hauptfarbe erfolgt. Dies hat das Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom 18. Januar 2022 klargestellt (Az. 6 K 438/19).
Die Richter gaben damit der Klage eines aus Guinea stammenden Mannes statt und erklärten seine durch Bundespolizisten im Chemnitzer Hauptbahnhof durchgeführte Personenkontrolle für rechtswidrig. Laut Gericht war auch die „Identitätsfeststellung, Verbringung auf die Dienststelle, Fixierung sowie körperliche Durchsuchung, Durchsuchung von Sachen und Anwendung von unmittelbarem Zwang“ nicht rechtens.
Was war geschehen? Der Kläger, der seit 2016 in Deutschland lebt, wartete im März 2018 mit einem Bekannten in der Bahnhofshalle auf seinen Zug. Er kam von seiner Praktikumsstelle und wollte nach Hause. Er und sein Begleiter wurden von einer Streife der Bundespolizei zur Durchführung einer Personenkontrolle angesprochen.
„Passport!“, „Ausweis!“
Laut Kläger war bereits die Ansprache der Beamten unfreundlich und unhöflich. Sie hätten zunächst nur Worte wie „Passport!“ und „Ausweis!“ zugeworfen. Daraufhin habe er wissen wollen, warum ausgerechnet er und sein Begleiter kontrolliert werden sollten – immer wieder. Die Polizeiversion: Der Kläger habe behauptet, keinen Ausweis zu besitzen und die Beamten als „Rassisten“ beschimpft.
Im weiteren Verlauf eskalierte die Situation. Der Kläger wurde bei der folgenden Auseinandersetzung an seinen Haaren gezogen, zu Boden gebracht, fixiert, zur Identitätsfeststellung auf die Wache geschafft und dort komplett entkleidet. Nach etwa zwei Stunden wurde er wieder freigesetzt, nachdem seine Personalpapiere in seinem Rucksack gefunden wurden. Nach Angaben der Beteiligten haben sowohl der Kläger, als auch die Beamten Blessuren davongetragen, wobei der Kläger einen Tag im Krankenhaus verbringen musste aufgrund erlittener Verletzungen.
Gericht: Kein Anlass für Kontrolle
Im März 2019 erhob der Kläger Klage. Darüber hat das Gericht am 12. Januar 2022 mündlich verhandelt und mit dem jetzt bekanntgewordenen Urteil (liegt dem MiGAZIN vor) dem Kläger Recht zugesprochen. Begründung: Die Bundespolizei sei „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet“ im Bahnhofsbereich unter bestimmten Umständen befugt, „jede Person kurzzeitig“ anzuhalten, zu befragen, mitgeführte Sachen und Ausweispapiere zu kontrollieren.
Allerdings, so das Gericht, sei die „Auswahl des Klägers als zu kontrollierende Person nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebung als ermessensfehlerhaft anzusehen“. Der Kläger und sein Begleiter hätten aufgrund ihres Verhaltens oder anderer Auffälligkeiten keinen Anlass zur Kontrolle gegeben. Deshalb sei es Sache der Polizisten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass die Kontrolle des Klägers nicht lediglich aufgrund der Hautfarbe erfolgte. Das sei den Beamten nicht gelungen.
Kläger-Anwältin: Gesetzgeber gefordert
Die Richter hätten daher im Ergebnis feststellen müssen, „dass die Hautfarbe des Klägers für den Entschluss, ihn einer Befragung und Kontrolle zu unterziehen, zumindest mitursächlich gewesen ist und nicht festgestellt werden kann, dass die Maßnahme auch ohne diesen Aspekt in gleicher Weise durchgeführt worden wäre“. Der Betroffene habe die Herausgabe seiner Papiere zu Recht verweigert. Sämtliche danach gegen ihn ergriffenen Maßnahmen der Polizisten seien ebenfalls rechtswidrig gewesen.
Laut Rechtsanwältin Kati Lang, die den Kläger im Prozess vertreten hat, ist dieses Verfahren exemplarisch. Der Gesetzgeber sei aufgefordert, diese Praxis zu beenden, erklärte sie gegenüber MiGAZIN. Rechtsgrundlage für das sogenannte „Racial Profiling“ ist das Bundespolizeigesetz, das verdachtsunabhängige Personenkontrollen zur Verhinderung von unerlaubter Einreise erlaubt. Unter „Racial Profiling“ bezeichnet man eine Personenkontrolle der Polizei, die nur aufgrund äußerer Erscheinungsmerkmale wie etwa der Hautfarbe ausgelöst wird.
Kontrollbescheinigung gegen Racial Profiling
Um dem „Racial Profiling“-Problem Herr zu werden, haben CDU, Grüne und SPD im Koalitionsvertrag beschlossen, Betroffenen anlassloser Kontrollen „zukünftig als Nachweis eine Kontrollbescheinigung“ auszustellen. Das war 2019. Die ersten Gerichtsurteile, die der „Racial Profiling“-Praxis Rechtswidrigkeit bescheinigt haben, liegen mindestens zehn Jahre zurück.
Gegen das Urteil kann binnen eines Monats ein Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht gestellt werden. Ein Verfahren gegen die Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt wurde eingestellt. Gegen den Kläger hingegen läuft noch ein Verfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. (mig) Leitartikel Recht
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