Gütesiegel für Pflegekräfte-Anwerbung
Verfahren soll Vertrauen bei ausländischen Interessenten fördern
Deutschland braucht mehr Pflegekräfte aus dem Ausland. Weil die nicht von alleine kommen, ist systematische Anwerbung auch außerhalb von Europa nötig. Ein neues Gütesiegel verspricht faire Arbeitsbedingungen und Verfahren.
Dienstag, 08.02.2022, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 07.02.2022, 15:00 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die ersten Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ sind Anfang Februar an 17 lizenzierte Vermittlungsagenturen und an selbst anwerbende soziale Einrichtungen verliehen worden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Edgar Franke (SPD), sprach von einem „Meilenstein in der Fachkräftezuwanderung“. „Dadurch wissen Pflegekräfte aus dem Ausland, dass ihr künftiger Arbeitgeber oder die Vermittlungsagentur einen fairen und transparenten Anwerbeprozess sicherstellt“, sagte er. Bisher haben den Angaben nach 78 weitere Interessenten das Siegel beantragt.
Das Interesse an dem Prüfverfahren sei groß, hieß es beim Deutschen Kuratorium Altershilfe (KDA), unter dessen Dach das Siegel vergeben wird. Bei einer Umfrage vor der Veröffentlichung der genauen Prüfkriterien habe es rund 130 Einrichtungen und Personalserviceagenturen gegeben, die sich eine Teilnahme am Zertifizierungsprozess vorstellen konnten. Knapp 150 Agenturen kümmern sich nach Recherchen des KDA in Deutschland um die Anwerbung von ausländischen Fachkräften.
Edgar Franke betonte, das gesetzlich eingeführte Siegel leiste auch einen wichtigen Beitrag zu einer modernen Einwanderungs- und Integrationspolitik. Es setze „einen hohen ethischen Standard“ und schaffe so bei Fachkräften im Ausland Vertrauen, ohne eigene Kosten nach Deutschland zu kommen, verlässlich betreut und gut in den neuen Job integriert zu werden. Und sie könnten sich darauf verlassen, keine Vermittlungskosten bezahlen zu müssen und ein faires Einkommen zu erhalten. Außerdem sorge der künftige Arbeitgeber für die zügige Integration in den Kollegenkreis.
Prekäre Arbeitsbedingungen
Info: In Deutschland lebten 2020 24,09 Millionen Menschen, die 60 Jahre und älter waren. Das waren 28,97 Prozent der Gesamtbevölkerung. Und der Anteil der Älteren steigt. 2030 wird fast jede beziehungsweise jeder Dritte älter sein als 65 Jahre.
Viele ausländische Pflegekräfte in Deutschland müssen unter prekären Arbeitsbedingungen Dienst leisten. Sie werden vergleichsweise schlechter bezahlt und genießen oft keinen Versicherungsschutz. Profite erzielen meist die Anwerber und Vermittlungsagenturen, die auf Kosten der günstigen Pflegekräfte wirtschaften. Erst im Juni 2021 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ausländische Pflegekräfte Anspruch auf den Mindestlohn haben.
Deutschland brauche im Bemühen um mehr Fachkräfte für Kliniken und Heime auch mehr qualifizierte Zuwanderung, was durch die Corona-Pandemie noch mal mehr als deutlich geworden sei, sagte Franke: „Wir brauchen zusätzliche Pflegekräfte aus dem Ausland. So ehrlich muss man sein.“ Diese Initiative sei Teil „einer modernen Einwanderungspolitik, die immer auch Migrationspolitik ist“.
Keine Anwerbung bei Engpass in der Heimat
Das staatliche und geschützte Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ wurde im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums unter dem Dach des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) entwickelt. Es zeichne private Vermittlungsagenturen und Arbeitgeber aus, die den Prozess der Anwerbung ethisch, fair und transparent gestalten, erklärte der Vorsitzende der „Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland“ im KDA, Helmut Kneppe, die für die Lizenzierung zuständig ist. Insgesamt würden 19 Kriterien und 56 Indikatoren vorgegeben und überprüft, bevor das Siegel vergeben werde. „Damit geben wir auch Arbeitgebern eine Entscheidungshilfe bei der Auswahl einer Vermittlungsagentur“, sagte Kneppe.
„Das Gütesiegel ist nur ein kleines Rädchen im großen Räderwerk der Pflegestrukturen. Aber es ist notwendig, um den Bedarf an Fachkräften zu sichern und eine faire Anwerbung verbindlich zu machen“, betonte Kneppe. Das Verfahren stelle auch sicher, dass durch Anwerbung in den Heimatländern keine Fachkräfte verlorengehen, die dort selbst dringend gebraucht werden. Denn alle internationalen Verträge und Standards zur Anwerbung würden strikt eingehalten. Laut KDA erfolgt die gezielte Anwerbung von Gesundheitsfachkräften derzeit vor allem in Bosnien, Herzegowina, auf den Philippinen, in Tunesien, Mexiko, Brasilien, El Salvador sowie in Vietnam. (epd/mig) Leitartikel Wirtschaft
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