Länder & Kulturen
Hessisches Landesmuseum taucht in die Welt der Hochzeit
In nahezu allen Kulturen wird der Heirat große Bedeutung beigemessen. Diesem besonderen Anlass widmet das Hessische Landesmuseum in Kassel eine Ausstellung. Sie gibt einen Einblick, welche Traditionen, Bräuche und Rituale sich rund ums Fest ranken.
Von Helga Kristina Kothe Freitag, 04.03.2022, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 03.03.2022, 16:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit ihren schillernden Farben stechen sie ins Auge: Festkleider für den Henna-Abend, ein unter Muslimen weit verbreiteter Hochzeitsbrauch. Ihre Stoffe leuchten in Rot, Grün und Blau und sind reich mit Pailletten bestückt. Die beiden handgefertigten Roben sind private Leihgaben und machen dem Namen der Ausstellung „Ja! Hochzeit in allen Farben“ alle Ehre. Sie ist im Hessischen Landesmuseum in Kassel bis 29. Mai zu sehen.
Rot symbolisiere Fruchtbarkeit, Grün sei die Farbe des Islam, erläutert Kurator Aymen Hamdouni. Die Kleider schmückten die Braut, die beim Henna-Abend in einer feierlichen Zeremonie mit Frauen aus der Familie und Freundinnen vom Elternhaus Abschied nehmen, während ihre Hände mit Henna bemalt und traurige Lieder gesungen würden.
Der Henna-Abend ist etwa in der Türkei das, was hierzulande der Junggesellinnenabschied ist. Für den Direktor der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), Martin Eberle, ein gutes Beispiel, wie ähnlich sich Bräuche sind: „Wir wollen mit unserer Ausstellung nicht auf die Unterschiede schauen, sondern auf Gemeinsamkeiten.“ Die Museumsgäste erfahren im Übrigen auch, dass der Junggesellinnenabschied in Europa erst seit den 1970er-Jahren üblich ist und dieser Brauch zuvor Männern vorbehalten war.
„Jumping the Broom“
Zu sehen ist in der Ausstellung auch ein afrikanischer Hochzeitsbesen, über den das Brautpaar nach der Trauung in den neuen Lebensabschnitt springt. „Jumping the Broom“ sei eines der ältesten Hochzeitsrituale in Westafrika, erklärt Hamdouni. Gefertigt ist der Besen aus Holz, Reisig und Baumwolle. Sinnigerweise symbolisiert er auch das Versprechen, Haus und Hof sauber zu halten.
Eine Leihgabe der Religionskundlichen Sammlung der Philipps-Universität in Marburg sind Liebesbriefe der Amazizi, eine Zulu-Gruppe in Südafrika, aus der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Noch heute trügen dort junge Frauen solch handgefertigte Briefe um den Hals oder auf der Brust, um die Bereitschaft zu einer Partnerschaft zu signalisieren, erklärt Hamdouni.
Nicht immer weiß
Besondere Blickfänge sind Brautkleider: romantische Roben in Weiß zeigt das Hessische Landesmuseum ebenso wie ein reich besticktes, farbenfrohes Lehenga Choli, das traditionelle indische Kleidungsstück für die Braut.
Ein historischer Ausstellungsbereich präsentiert Hochzeitskleidung und Erinnerungsstücke aus den Sammlungen der MHK vom späten 18. bis ins ausgehende 20. Jahrhundert. Ob weitschwingende, üppig bestickte Robe à la francaise, die um 1760 gefertigt wurde, oder schmales Chemisenkleid, das Ausdruck der bürgerlichen Antikenbegeisterung im 18. Jahrhundert war: Die Kasseler Schau bezeugt, dass das Brautkleid schon immer der Mode folgt, aber nicht immer weiß war.
Bräute in Schwarz
Bis in die 1950er liefen Bräute auch in Schwarz in den Ehehafen ein, da die Kleider noch zu anderen Anlässen getragen werden konnten: „Im ländlichen Raum und bei weniger vermögenden Familien war das lange üblich“, sagt Kuratorin Martina Lüdicke. Auffallend ist auch ein hellblaues, kurzes Hängerchen von 1984: „Ein Protest gegen die bürgerliche Reinheitssymbolik des weißen Kleides.“
Ob Spitze, Seide oder Leinen – die historischen Stoffe sind wertvoll und empfindlich. Museumsdirektor Eberle verrät, wie sorgfältig sie aufbewahrt werden: „In Kartons und ausgestopft mit Papier, damit keine Falten entstehen, denn dann würde der Stoff irgendwann brechen.“
Info: Was tragen Paare an ihrem Hochzeitstag? Wie gestalten sich die Feierlichkeiten? Welche Hochzeitsbräuche und Traditionen werden gepflegt oder auch neuinterpretiert? Diesen und weiteren Fragen rund um die Hochzeit widmet sich die Museumslandschaft Hessen Kassel vom 25. Februar bis 29. Mai 2022 im Hessischen Landesmuseum.
Interviews, Filme und Fotos
Wertvoll ist vieles: Glücksbringer wie kupferne Amulettmünzen, Geschenke wie irisierender Schmuck, handgemachte Kelims oder eine türkische Hochzeitstruhe aus Antep. Darin das, was vom Wohlstand der Braut zeugt: die Aussteuer. Kurios hingegen: das Spiderman-Kostüm, ein Geschenk zum Junggesellenabschied.
Auch Interviews, Filme und Fotos nehmen mit in die bunte Welt des Heiratens. Dokumentiert ist die Hochzeit eines irakischen Paares während der Corona-Pandemie. Im Gespräch erzählt eine Kasseler Traurednerin, wie sie Gefühle in Worte verpackt. Sie und ihre Frau stellen auch ihren Hochzeitsdress aus. Denn den Kuratoren ist auch das ein Anliegen: „Die Vielfalt der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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