Warnung vor Hungersnöten
UN: Ukraine-Krieg könnte zu massiven Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa führen
Die Ukraine und Russland produzieren einen Großteil des Getreides weltweit. Durch den Krieg in der Ukraine steigen die Preise, Weizen und Mais werden knapp - mit verheerenden Folgen vor allem für die Menschen in ärmeren Ländern.
Mittwoch, 16.03.2022, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 15.03.2022, 15:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Krieg in der Ukraine könnte nach Einschätzung des Direktors des Welternährungsprogramms, David Beasley, massive Fluchtbewegungen aus Afrika nach Europa zur Folge haben. „Dieser Krieg wird globale Auswirkungen haben, die sich viele noch gar nicht vorstellen können“, sagte Beasley der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Zahl der Menschen am Rand des Hungers sei bereits in den vergangenen Jahren aufgrund anderer Kriege, des Klimawandels und der Corona-Pandemie von 80 Millionen auf 276 Millionen gestiegen. „Und jetzt haben wir den Krieg in der Ukraine, der die Getreidelieferungen explosionsartig verteuert und verknappt.“ Die Länder Nordafrikas erlebten dadurch einen Schock.
Es drohe eine massive Fluchtbewegung aus diesen Ländern. „Die paar Millionen, die aus der Ukraine kommen, können verblassen gegenüber dem, was aus dem Süden nach Europa zu kommen droht“, sagte Beasley. Wer glaube, die syrische Flüchtlingskrise sei ein Problem gewesen, solle daran denken, dass in Syrien 21 Millionen Menschen lebten und in der Sahelzone 500 Millionen. „Das könnte die syrische Flüchtlingskrise wie ein Picknick im Park aussehen lassen.“
Die Ukraine und Russland stünden für 30 Prozent der Weizenlieferungen in der Welt, 20 Prozent des Mais und 76 Prozent der Sonnenblumenkerne, erläuterte der WFP-Chef. 2011 habe man 90 Aufstände infolge der gestiegenen Brotpreise gezählt. „Jetzt ist es noch schlimmer, denn die Länder sind wegen Covid, wegen der Kriege und des Terrors durch den IS, Al-Kaida und Boko Haram sowie wegen des Klimawandels in einer viel schlechteren Verfassung.“ Daher müsse man an all diesen Fronten arbeiten. „Man darf die Sahelzone und Nordafrika wegen des Ukraine-Krieges nicht ignorieren.“
Warnung vor Hungersnöten im Süden
Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Niels Annen (SPD), warnte im RBB-Inforadio ebenfalls vor Hungersnöten und Destabilisierung in Ländern des globalen Südens. Während die Weizenproduktion in der Ukraine wegen des Krieges weitgehend eingestellt worden sei, habe Russland vorerst einen Exportstopp für Weizen verhängt. In vielen Ländern verursache dies eine „dramatische Situation.“ Bis zu 13 Millionen Menschen könnten so zusätzlich von Hunger bedroht werden.
Auch Annen machte auf die Lage in Nordafrika aufmerksam. Länder wie Tunesien, Algerien oder Ägypten gewährleisteten ihre politische Stabilität auch durch die Subventionierung von Grundnahrungsmitteln. „Wenn das nicht mehr möglich ist, kann das fatale Folgen haben“, warnte Annen. Er rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, den besonders von der Weizenpreiserhöhung betroffenen Ländern zu helfen, unmittelbar mit der Krise klarzukommen. Gleichzeitig müsse man versuchen, in der Ukraine trotz des Krieges die nächste Weizensaat zu ermöglichen.
„Es kommt ein noch viel schwererer Sturm“
Beasley betonte, auch für das Welternährungsprogramm sei der Preisanstieg bei Lebensmitteln und Treibstoff ein Problem. „Normalerweise nutzen wir Zeiten mit niedrigen Preisen, um uns einzudecken. Doch jetzt geht das nicht mehr.“ Der UN-Organisation stünden neun Milliarden US-Dollar zu wenig zur Verfügung. Dadurch müsse das WFP die Rationen verringern, im Niger beispielsweise um die Hälfte. „Wir erreichen ohnehin nur die Hälfte der Bevölkerung, und jetzt geben wir ihnen noch mal die Hälfte weniger von dem, was sie bräuchten.“ Oft dauere es nur einige Monate, bis die Unterernährten dann auch zu den Hungernden gehörten.
Um die Finanzierungslücke zu stopfen, habe er auch versucht, „die Milliardäre dieser Welt zu mobilisieren, bin aber nicht sehr weit gekommen“, sagte Beasley. „Der Sommer und der Herbst werden nicht gut sein. Wenn Sie glauben, dass die Lage jetzt schlecht ist, dann sage ich: Es kommt ein noch viel schwererer Sturm.“ (epd/mig) Aktuell Ausland
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