NeMO-Kampagnenwochen
„Toleranz ohne Teilhabe ist nichts wert. Es ist nur eine Duldung.“
Welche Themen beschäftigen Menschen mit Einwanderungsgeschichte, was treibt sie um? Einen Monat lang diskutierten PoC-Experten im Rahmen der NeMO-Kampagnenwochen und boten Perspektiven aus der migrantischen Community, die sonst zu kurz kommen. Ein Rückblick.
Donnerstag, 21.04.2022, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 22.04.2022, 8:54 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Rassismus und strukturelle Diskriminierung standen vom 15. März bis 14. April im Zentrum der Kampagnenwochen „Wir sind viele – für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft“. Der Bundesverband Netzwerke von Migrant:innenorganisationen (NeMO) ging mitunter der Frage nach, warum Rassismus und institutionelle Diskriminierungen in Deutschland kein zentrales Thema sind. In Interviews, Lesungen, Filmvorführungen und weiteren Formaten wurden hierzu verschiedene Perspektiven sichtbar.
Politikwissenschaftlerin und Ethnologin Jamie Schearer-Udeh etwa beklagt im online Interview, dass in dialogischen Kontexten „Black and People of Color“ oft in eine „Betroffenheitsfalle“ geraten. Dabei würden ihnen jegliche Expertise abgesprochen und ihre Perspektive abgewertet, wenn sie auf der Gefühlsebene kommunizierten, wenn sie mitteilten, was Rassismus und Diskriminierung mit ihnen macht. Im Ergebnis gehe es um folgende Frage: Wer hat eigentlich die Deutungshoheit? Ist eine weiße Perspektive neutral oder gar objektiv, wenn es um Rassismus geht? Schearer-Udeh hat dazu eine klare Antwort: „Nein“.
Michaela Dudley, Kabarettistin, Autorin und promovierte Juristin, fordert einen größeren Tisch, an dem Platz für mehr Personen ist. Es gehe nicht darum, andere zu verdrängen, sondern darum, Positionen divers zu besetzen. Sie kritisiert die Ökonomie der Aufmerksamkeit, in der einzelne Personen als Token von der Dominanzgesellschaft auserkoren werden, eine ganze Community zu repräsentieren, ohne, dass die Community dabei mitsprechen darf. Durch die Akzeptanz der auserwählten Token würden koloniale Muster reproduziert und die Abhängigkeit von der Dominanzgesellschaft verstetigt. „Toleranz ohne Teilhabe ist nichts wert. Es ist nur eine Duldung“ sagt Dudley.
Rassistische Strukturen
Auch im Gespräch mit dem Buchautor und Journalisten Mohamed Amjahid geht es um die Abhängigkeit von der Dominanzgesellschaft. Dabei sei Weißsein ein Konstrukt, das sich nicht nur an der Hautfarbe festmachen lasse. Auch ließen sich Konzepte aus den USA nicht auf Deutschland übertragen. Amjahid fordert einen deutschen Diskurs zu Weißsein.
Struktureller Rassismus ist im Rahmen der Kampagnenwochen ebenfalls Thema. Zühre Özdemir-Hohn spricht von den Herausforderungen, nämlich dass Rassismus oft nicht sichtbar ist. Es sei eine „Systemfrage“. Begegnungen auf Augenhöhe seien ein langer Prozess, da die Strukturen sehr verfestigt seien. Zudem seien die Strukturen „subtil, weil es gesellschaftlich als Normalität angenommen und praktiziert“ werde, sagt die Pädagogin und Geschäftsführerin von Moin Nürnberg. Sie ergänzt: „Und genau deshalb wird es zur Systemfrage.“
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