Flüchtlinge zweiter Klasse
Bundesregierung fliegt afghanische Ortskräfte weiterhin aus
Die Bundesregierung fliegt weiter afghanische Ortskräfte nach Deutschland aus. Die Kritik an den Evakuierungsmaßnahmen halten aber weiter an. Pro Asyl mahnt, angesichts des Ukraine-Kriegs Afghanistan nicht zu vergessen. Es dürfe keine Flüchtlinge zweiter Klasse geben.
Dienstag, 31.05.2022, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 31.05.2022, 15:27 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Bundesregierung fliegt einem Bericht zufolge weiterhin verfolgte Afghanen und ehemalige afghanische Ortskräfte mit deren Familien nach Deutschland aus. Es würden im Durchschnitt „etwa 200 Afghaninnen und Afghanen pro Woche allein aus Pakistan nach Deutschland gebracht“, berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe unter Berufung auf Zahlen des Auswärtigen Amts.
Auch über den Iran würden demnach weiterhin regelmäßig Personen ausreisen. Laut Auswärtigem Amt konnten deutsche Visastellen seit der Machtübernahme der Taliban „mehr als 18.000 Visa für Ortskräfte, besonders gefährdete Personen, die eine Aufnahmezusage seitens der Bundesregierung erhalten haben, und deren Familienangehörige“ ausstellen. Allein Anfang 2022 seien innerhalb von zwei Monaten rund 5.000 Personen ohne Pässe bei der Ausreise aus Afghanistan auf dem Landweg und anschließend bei ihrer Weiterreise nach Deutschland unterstützt worden.
Wie die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im April mitteilte, harren mehr als zehntausend Menschen mit deutscher Aufnahmezusage weiter in Afghanistan aus. Mehrere Ortskräfte sind bereits tot. „Die Bundesregierung hat Kenntnis von einzelnen Todesfällen“, heißt es in der Antwort. Die Linke sprechen von einem „Desaster“.
Afghanistan-Politik der Regierung weiter in der Kritik
Nach der Machtüberlassung westlicher Truppen an die Taliban in Afghanistan hatte es immer wieder scharfe Kritik an der Evakuierungsmaßnahme der Bundesregierung gegeben. Die Pro-Asyl-Rechtsexpertin Wiebke Judith hatte angesichts des Ukraine-Kriegs gemahnt, die Ortskräfte und deren Angehörige in Afghanistan nicht zu vergessen. Diese Menschen, die vor Übernahme der Macht durch die Taliban für die vorherige Regierung oder westliche Organisationen gearbeitet hätten, befänden sich „weiterhin zahlreich im Land und in Lebensgefahr“, hatte die Juristin mit Blick auf die am Mittwoch in Würzburg startende Tagung der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern gesagt.
Judith forderte eine schnelle Reform des derzeitigen Ortskräfteverfahrens sowie die Errichtung von Landes- und Bundesaufnahmeprogrammen. Die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP angekündigte Bleiberechtsregelungen müssten „schnell und großzügig umgesetzt werden“, sagte sie.
„Es darf keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben.“
Judith begrüßte, dass für geflüchtete Menschen aus der Ukraine „progressive Regelungen“ gelten, die ihnen „einen schnellen Schutzstatus, einen vollwertigen Zugang zu Sozialleistungen und eine frühzeitige Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen“. Es sei aber problematisch, dass diese „sinnvollen Maßnahmen nicht für alle Schutzsuchenden“ angewendet werden: „Es darf keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben.“ Bei vielen nichtukrainischen Geflüchteten werde aktuell „eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft“ sowie eine schnelle Integration am Arbeitsmarkt vertan, sagte sie.
Pro Asyl und mehrere andere Verbände, wie etwa Jugendliche ohne Grenzen, Bayerischer und Würzburger Flüchtlingsrat rufen für Donnerstag (2. Juni) zu einer großen Demo unter dem Motto „Bleiberecht und Aufnahme jetzt!“ in Würzburg auf. (epd/mig) Aktuell Politik
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