Rufe nach Konsequenzen
Antisemitismus auf der documenta
Die Kritik an der documenta reißt nicht ab. Nach der Entfernung eines indonesischen Riesengemäldes mit antisemitischen Details richten sich Fragen gegen die Verantwortlichen. Neue Vorwürfe gibt es wegen eines pro-palästinenischen Filmprogramms.
Mittwoch, 22.06.2022, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.06.2022, 16:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Kritik an der „documenta fifteen“ reißt auch nach der Entfernung eines Kunstwerks mit antisemitischen Darstellungen nicht ab. Es müsse jetzt über personelle Konsequenzen nachgedacht werden, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Mittwoch in Berlin. Es sei richtig, dass das Gemälde des indonesischen Künstlerkollektivs „Taring Padi“ abgehängt worden sei. Damit sei jedoch das Thema Antisemitismus und die Nähe der diesjährigen documenta zur Anti-Israel-Bewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) nicht abgehakt. „Deutschlands Image in der Welt hat durch diesen Vorfall bereits Schaden genommen“, sagte Schuster. Für weitere Kritik sorgten derweil pro-palästinenische Filme im Programm der Kasseler Kunstschau.
Bei der am Samstag eröffneten „documenta fifteen“ war auf einem riesigen Wimmelbild der indonesischen Künstlergruppe „Taring Padi“ auf dem zentralen Friedrichsplatz in Kassel ein Mann in Anzug und Krawatte mit haifischartigen Reißzähnen zu sehen, die Augen rot unterlaufen. An den Seiten hängen Schläfenlocken, das Jackenrevers ist gelb, die Signalfarbe der Juden im Mittelalter. Am Hut prangen die SS-Runen. Auf einem anderen Detail wird unter einem Kanonenrohr eine Person in Uniform mit einer Schweinsnase gezeigt. Auf dem roten Halstuch ist der Davidstern zu sehen, auf dem Helm der Name des israelischen Geheimdienstes Mossad.
Nach öffentlichen Protesten wurde das Bild „People’s Justice“ am Montagabend zunächst mit schwarzen Tüchern verhängt, am Dienstagabend dann auf Beschluss des documenta-Aufsichtsrates entfernt. Der Kasseler Soziologie Heinz Bude bezeichnete die Vorgänge bei einer Veranstaltung der Universität Kassel am Dienstagabend als „die größte Beschädigung der Marke documenta seit ihrem Bestehen“. Das sei ein Fazit, das man schon jetzt ziehen könne, sagte der Gründungsdirektor des documenta-Institutes.
Rufe nach Konsequenzen
Auch über Kassel hinaus wurden am Mittwoch Rufe nach weiteren Konsequenzen laut. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, bezeichnete die antisemitischen Vorfälle als so eklatant, dass jetzt nur eine breite öffentlich geführte Debatte unter Einbeziehung des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Kunst- und Kulturverbände die Ausstellung retten könne. „Die documenta fifteen hängt nur noch am seidenen Faden. Es ist jetzt die Aufgabe der Verantwortlichen für die Ausstellung, das Ruder herumzureißen“, sagte Zimmermann.
Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, sagte dem „Evangelischen Pressedienst“, die Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, müsse sich fragen lassen, ob sie an richtiger Stelle sei und womöglich über einen Rücktritt nachdenken. Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, forderte eine Aufarbeitung. „Antisemitische Äußerungen dürfen nicht geduldet werden. Es ist wichtig, sie zu identifizieren und zu bekämpfen, weltweit“, sagte sie.
Neue Antisemitismus-Vorwürfe
Unterdessen gibt es neue Vorwürfe gegen die documenta. Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, kritisierte, dass die documenta im Programm unkommentiert pro-palästinensische Filme aufführe. Diese Filme stünden in Verbindung mit der linksterroristischen Gruppe Japanische Rote Armee, die Anfang der 70er Jahre Anschläge in Israel mit vielen Toten verübt hatte. „Wir haben es hier nicht nur mit der Verbreitung antisemitischer Klischees zu tun, sondern mit der Präsentation von Propagandafilmen aus einem anti-israelisch-terroristischen Kontext“, sagte Claussen.
Die seit 1955 alle fünf Jahre in Kassel zu sehende documenta gilt als eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Die „documenta fifteen“ dauert bis zum 25. September. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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