Europa lässt Kinder warten
Mehr als 450 Flüchtlinge an Bord: Seenotretter warten auf Hafen
Statt in Seenot geratene und gerettete Menschen schnell aufzunehmen und zu versorgen, lässt Europa sie tagelang auf Rettungsschiffen ausharren. So aktuell auch wieder „Sea-Watch“ mit mehr als 300 Flüchtlingen an Bord. Derweil wurde ein anderes Rettungsschiff festgesetzt.
Montag, 27.06.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.06.2022, 12:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit 19 Geflüchteten an Bord hat das kleine Seenotrettungsschiff „Nadir“ in Lampedusa angelegt. Nach mehr als 90 Stunden habe das Segelschiff in den italienischen Hafen einlaufen und die Geretteten an Land bringen dürfen, meldete die Organisation Resqship am Sonntagabend. Mehr als 450 weitere aus Seenot gerettete Flüchtlinge warteten am Montag hingegen weiter auf einen Hafen in Europa.
Die „Sea-Watch 4“ hatte bis Montag 304 Flüchtlinge an Bord. Ein Großteil der Menschen sei bereits seit mehr als einer Woche auf dem Schiff, erklärte die Organisation Sea-Watch auf Twitter. Die „Ocean Viking“ der Organisation SOS Méditerranée hatte den Rettern zufolge nach zwei weiteren Einsätzen am Wochenende und Montagmorgen 156 Männer, Frauen und Kinder an Bord, darunter auch ein Baby, mehrere weitere Kinder sowie einige schwangere Frauen. Zuletzt seien 66 Menschen von einem Schlauchboot in Seenot in der maltesischen Zone gerettet worden. Auf der vom Künstler Banksy unterstützten „Louise Michel“ warteten 59 Gerettete auf die Zuweisung eines Hafens. Auf der vom Künstler Banksy unterstützten „Louise Michel“ warteten 59 Gerettete auf die Zuweisung eines Hafens.
Die in Lampedusa an Land gebrachten Flüchtlinge der „Nadir“ waren am Donnerstag aus einem überfüllten und manövrierunfähigen Holzboot gerettet worden. Laut Resqhip waren die Menschen nach ihrer Flucht aus Libyen bereits seit Tagen auf See gewesen. Da die „Nadir“ klein ist und vor allem zu Beobachtungen eingesetzt wird, ist sie nicht dafür ausgelegt, Gerettete über einen längeren Zeitraum an Bord zu behalten.
Rettungsschiff „Aurora“ festgesetzt
Derweil wurde das neu von „Sea-Watch“ betriebene Rettungsschiff „Aurora“ unmittelbar nach dem Abschluss des ersten Einsatzes in Lampedusa festgesetzt. Die britische Agentur für See- und Küstenwache habe dem unter britischer Flagge fahrenden Schiff ein Auslaufverbot erteilt, erklärte die Seenotrettungsorganisation am Freitag.
Demnach kam die Anordnung bereits am 31. Mai, einen Tag nachdem die Crew des Schiffes 85 im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge und Migranten nach Lampedusa gebracht hatte. Die Behörde argumentiere, dass der Geltungsbereich der Schiffszertifizierung auf Großbritannien beschränkt sei. Laut „Sea-Watch“ darf das gemeinsam mit der britischen Organisation „Search and Rescue Relief“ betriebene Schiff jedoch auch im Ausland fahren. Die Organisation kündigte an, sich juristisch gegen die Festsetzung zu wehren.
Die „Aurora“ ist laut „Sea-Watch“ ein britisches 14-Meter-Rettungsboot und gehörte davor der gemeinnützigen Rettungsorganisation „Royal National Lifeboat Institution“. Die „Aurora“ ist eines der schnellsten privaten Such- und Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer mit einer Besatzung von sechs Personen. Ende Mai war sie erstmals für „Sea-Watch“ im Einsatz.
Langes Warten auf Hafen
Im Mittelmeer gibt es keine staatlich organisierte Seenotrettungsmission. Lediglich die Schiffe privater Organisationen halten Ausschau nach in Not geratenen Flüchtlingen und Migranten. Immer wieder dauert es viele Tage, bis die italienischen Behörden den Rettungsschiffen einen Hafen zuweisen. Malta gibt seit langem keine Erlaubnisse mehr.
Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Vor allem aus Libyen, wo Flüchtlingen und Migranten Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen drohen, wagen viele Schutzsuchende die Überfahrt. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit Beginn dieses Jahres bislang 850 Menschen bei der Überfahrt ums Leben gekommen oder werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. (epd/mig) Aktuell Panorama
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