G7-Gipfel
Außer Spesen, nichts gewesen?
Wegen Kriegen, Krisen und Hungersnöten sind die Erwartungen an die G7-Staaten groß. Werden schönen Worten beim Gipfel auf Schloss Elmau auch Taten folgen? Bisher wurden die Erwartungen enttäuscht. Stattdessen schielt Deutschland auf Gas aus Senegal.
Von Mey Dudin Montag, 27.06.2022, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.06.2022, 17:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Bilder sollen für sich sprechen: Die wohl mächtigsten Männer der Welt spazieren über die Wiese vor einer prächtigen Bergkulisse. Sie wirken entspannt, lachen und feixen. Die Regierungs- und Staatenlenker aus den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan sind auf Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum G7-Gipfel nach Oberbayern gekommen. Als einzige Frau ist die – weniger mächtige – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dabei. Aus Schloss Elmau in gut 1.000 Metern Höhe senden sie Signale der Harmonie und Geschlossenheit. Und wer im Medienzelt – am Fuße der Berge in Garmisch-Partenkirchen – die Kopfhörer für die Tonübertragung vom Schloss auch zwischen den Pressestatements aufbehält, hört die Vögel zwitschern.
Diese Außendarstellung steht im krassen Kontrast zu den Themen, die von den G7 diskutiert werden. Es geht um den Ukraine-Krieg, um drohende Hungerkatastrophen und um den Klimawandel, der jetzt schon arme Länder mit Dürren, Überschwemmungen und steigenden Meeresspiegeln in existenzielle Nöte bringt und immer mehr Menschen in die Flucht treibt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde dem Gipfel per Video zugeschaltet.
Konkrete Antworten auf die drängenden Fragen gab der G7-Gipfel aber bis zum Montagnachmittag nicht. Beim Klimaschutz drohen sogar Rückschritte: Nach Medien-Informationen wollen die G7 in ihrem Beschlusspapier die wichtige Rolle von verflüssigtem Erdgas hervorheben, um mögliche Engpässe insbesondere in Europa zu überbrücken. Dabei wird trotz heftiger Kritik von Hilfsorganisationen eingeräumt, dass öffentliche Investitionen in den Gassektor als vorübergehende Antwort auf die aktuelle Energiekrise wichtig sind.
Keine Zusagen für Hilfe
Auch konkrete Zusagen für humanitäre Hilfen für die Hungernden gab es zunächst nicht. Laut UN sind umgerechnet 44 Milliarden Euro nötig, um die Nahrungsmittelkrise wirksam einzudämmen. Bislang haben Geberländer aber nur etwa die Hälfte zugesagt, erst 20 Prozent sind bereitgestellt worden. Dem Welternährungsprogramm zufolge sind aktuell 345 Millionen Männer, Frauen und Kinder weltweit akut von Nahrungsmittelknappheit bedroht.
Deutschland arbeitet derzeit gemeinsam mit anderen EU-Staaten und den Vereinten Nationen daran, Getreide aus der Ukraine hinauszubringen. Die G7-Staaten äußerten sich entschlossen, die Ukraine dabei zu unterstützen, Getreide, Pflanzenöl und andere Agrarprodukte zu produzieren und zu exportieren. Russland wurde aufgefordert, die Angriffe auf ukrainische Agrarinfrastruktur und Transportsysteme zu beenden und Schiffen mit Agrargütern die Ausfahrt aus den ukrainischen Schwarzmeerhäfen nicht zu behindern. All jene, die ukrainisches Getreide stehlen oder in anderer Weise von dem Krieg profitieren, müssen gezielte Sanktionen befürchten.
Deutschland will Gas aus Senegal
Weil die Ukraine zu den wichtigsten Getreideexporteuren weltweit gehört, steigen seit der militärischen Großoffensive Russlands auf das Land vor vier Monaten die Lebensmittelpreise noch rasanter als zuvor schon wegen der Corona-Pandemie und anderen Krisen. Rund 20 Millionen Tonnen Getreide sind nach wie vor in Silos gelagert und können wegen russischer Blockaden der Häfen nicht im großen Stil exportiert werden.
An den Beratungen zu Ernährungssicherheit und Klimaschutz nahmen auch die Gastländer Argentinien, Indien, Indonesien, Südafrika und Senegal teil. Der Senegal hat derzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union inne. Vor einigen Jahren wurden vor der Küste des Landes große Gas- und Öl-Vorkommen entdeckt. Hier plant die Bundesregierung, die sich derzeit darum bemüht, von russischem Gas wegzukommen, eine engere Zusammenarbeit.
Enttäuschung im Bereich Klima und Hunger
Wer sich vom G7-Gipfel konkrete Zusagen für mehr Klimaschutz und weitere Milliarden gegen den Hunger erhofft hatte, wurde bisher enttäuscht. Eigentlich hätten gerade diese sieben großen Industriestaaten die Macht dazu, deutlich mehr zu tun. Zusammen erbringen sie 31 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Sie repräsentieren zehn Prozent der Weltbevölkerung und waren 2020 für 21 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Der Gipfel wird noch bis Dienstagmittag andauern. Die G7 können also noch nachlegen und zeigen, ob sie die Weichen für eine Zukunft mit mehr Klimaschutz und weniger Hunger stellen. Erfüllen sie die hohen Erwartungen nicht, dürften auch schöne Bilder darüber nicht hinwegtäuschen. (epd/mig) Leitartikel Politik
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