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30-Jahre Rostock-Lichtenhagen

Politologin Heinrich: Breiter Diskurs zu Rassismus nötig

Zum 30. Jahrestag des rassistischen Pogroms von Rostock-Lichtenhagen spricht Politologin Gudrun Heinrich über die Hintergründe der Anschläge und über die heutigen pädagogischen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten.

Von Donnerstag, 18.08.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.08.2022, 12:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Politologin Gudrun Heinrich leitet seit Oktober 2008 die Arbeitsstelle Politische Bildung am Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften der Universität Rostock. Außerdem ist sie Mitglied der AG Gedenken der Rostocker Bürgerschaft. Heinrichs Forschungsschwerpunkte sind politische Bildung und Rechtsextremismus. Im Interview äußerte sie sich vor dem 30. Jahrestag des fremdenfeindlichen Pogroms von Rostock-Lichtenhagen auch zu den Hintergründen der damaligen Ereignisse sowie zu den heutigen pädagogischen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten.

Welche Hintergründe sehen Sie hauptsächlich für die damaligen Ausschreitungen?

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Gudrun Heinrich: Die beginnenden 1990er-Jahre waren in Deutschland durch einen aggressiven Diskurs zur Änderung des Asylrechts geprägt, welches schließlich nach Rostock-Lichtenhagen auch massiv beschnitten wurde. Es gab eine bundesweit sichtbare fremdenfeindliche und rassistische Prägung der Diskurse in den Medien – auch wenn natürlich viele dagegen argumentierten und auf die historische Verantwortung Deutschlands hinwiesen und ein liberales Asylrecht forderten.

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Und wie war die spezifische Situation in Rostock?

Heinrich: Hier kommt die Herausforderung der Transformation in den neuen Bundesländern hinzu. Das „alte System“ war noch nicht komplett abgewickelt, die Strukturen des neuen Staates noch nicht fest etabliert. Vor allem Verwaltung, aber auch Justiz und Polizei waren davon geprägt.

Konkret für den Stadtteil Rostock-Lichtenhagen ist die Situation um die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und Asylbewerberinnen zu berücksichtigen. Die Benennung dieser Faktoren soll die rassistischen Angriffe in keinster Weise beschönigen, die Analyse ist jedoch notwendig, um das Pogrom verstehen und dann auch Handlungsschritte daraus ableiten zu können.

Was heißt das konkret?

Heinrich: Die diskutierte Frage ist heute unter anderem, ob wir von einem Pogrom sprechen oder von rassistischen Gewalttaten oder Ausschreitungen. Diese Debatte ist spannend und zeigt, wie intensiv wir uns heute mit diesen Fragen beschäftigen. Ich selber spreche von rassistisch motivierten, pogromartigen Ausschreitungen.

Welche pädagogischen und gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten lassen sich 30 Jahre nach den Ereignissen von Rostock-Lichtenhagen ableiten?

Heinrich: Die notwendigen Konsequenzen müssen vielfältig sein. Es geht um eine differenzierte Erinnerungs- und Gedenkkultur, die das Ziel verfolgen sollte, einen breiten Diskurs in vielen Teilen der Gesellschaft zu ermöglichen. Öffentlich wahrnehmbare Erinnerungsorte sind hier sicherlich ein wichtiger Baustein.

Was die Thematisierung in der Schule betrifft, bin ich gespalten. Ich selbst führe unter anderen mit Studierenden immer wieder Projekttage in Schulen durch. Das ist wichtig und für die Schülerinnen und Schüler sowie für die Studierenden gewinnbringend – so hoffe ich zumindest. Eine inhaltliche Festschreibung in Curricula von Schulen sehe ich aber problematisch. Wir brauchen eher schulische Rahmenpläne, die es ermöglichen, das Thema Rassismus und Rechtsextremismus anzusprechen und dann eine auf die Klasse passende Form zu finden. Das muss nicht immer „Rostock Lichtenhagen 1992“ sein, hier finden sich auch andere Beispiele und Fragestellungen.

Was wünschen Sie sich von den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften in diesem Zusammenhang?

Heinrich: Die Kirchen und Religionsgemeinschaften sollten selbstkritisch ihren Anteil an der Entstehung und dem Erhalt rassistischer Narrative reflektieren und einen offenen Diskurs wagen. Eine Stellungnahme top down verändert hier wenig, ein Diskussionsprozess in den Gemeinden sicherlich mehr. Zur Frage der Rolle der christlichen Kirchen im Bereich Antisemitismus ist schon einiges passiert. Aber bei Fragen des Antiziganismus und des Rassismus insgesamt ist hier sicherlich noch „Luft nach oben“. (epd/mig) Interview Panorama

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  1. Irmela Mensah-Schramm sagt:

    Ja seltsam, als ich vor einigen Jahren in Rostock-Lichtenhagen war, um mich nach Hass-Botschaften umzusehen – und dann auch entsprechend dagegen zu handeln – was ich ja nun seit 36 Jahren deutschlandweit tue, sagte mir eine ältere Frau im Vorbeigehen „Rostock hat nicht dazu gelernt“.
    Na ja, meine Funde sprachen für sich.
    Interessant allerdings ist, dass man in bestimmten Gegenden Deutschlands (Ost wie West) sich rigoros versperrt gegen jedwedes Unterstützungsangebot.
    Man jammert lieber……….
    Immer wieder stelle ich fest, dass plakative Aktionen für sogenannte antirassistische Projekte offenbar ausreichen, was allerdings zu bezweifeln ist!
    Bunte Transparente, Luftballons, Kaffee und Kuchen helfen mit Sicherheit nicht gegen Rassismus!