Studie
Wachsende Ungleichheit führt zu regionalen Zusammenbrüchen
Die vor 50 Jahren vom Club of Rome initiierte Studie „Die Grenzen des Wachstums“ gilt als Gründungsdokument der Umweltbewegung. Sie sagte eine Katastrophe voraus, wenn Bevölkerung und Wirtschaft weiter wachsen. Nun gibt es einen neuen Bericht.
Dienstag, 30.08.2022, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 31.08.2022, 6:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Zur Rettung des Planeten vor der Klimakatastrophe sind einem von der Denkfabrik Club of Rome initiierten Bericht zufolge drastische Schritte auf Kosten der Reichen nötig. Wie aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie „Earth for All: Ein Survivalguide für unseren Planeten“ hervorgeht, werden ohne außergewöhnliche Maßnahmen zur Umverteilung des Reichtums in den nächsten 50 Jahren Gesellschaften derart dysfunktional, dass sie kaum in der Lage sind, existenzielle Bedrohungen wie den Klimawandel anzugehen. Es drohe eine explosive Kombination aus extremer politischer Destabilisierung und Stagnation. Jorgen Randers, einer der sechs Autoren der Studie, sagte: „Wir werden die Welt nicht retten, wenn nicht die reichsten zehn Prozent die Rechnung bezahlen.“
Mit „außerordentlichen Kehrtwenden“ in den fünf Bereichen Armut, Ungleichheit, Ernährung, Energie und der Ermächtigung von Frauen könnte dem Bericht zufolge die Erderwärmung unterhalb der Zwei-Grad-Marke stabilisiert und die Armut beendet werden. Unter anderem sollten Lebensmittel stärker lokal produziert und Verschwendung minimiert werden. Erneuerbare Energien müssten Kohle, Öl und Erdgas ablösen, der Treibhausgasausstoß etwa alle zehn Jahre halbiert werden. Reiche Länder sollten den armen Staaten alle Schulden erlassen. Ferner müssten die vermögendsten Menschen in allen Ländern stärker besteuert werden.
Zwei Szenarien
Aufgezeigt werden im Bericht zwei Szenarien: Eines enthält einen tiefgreifenden und unverzüglichen Wandel der Wirtschafts-, Energie- und Nahrungsmittelsysteme, was als „Riesensprung“ bezeichnet wird. Hierbei sollen die Staaten den Beschluss fassen, dass Weltbank, Internationaler Währungsfonds und Welthandelsorganisation so umgestaltet werden, dass sie ökologische Wende sowie Investitionen in Klima, Nachhaltigkeit und Wohlergehen unterstützen. Länder investieren dem Szenario zufolge in allgemeine Grundeinkommen, Bildung und Gesundheit. Das Prinzip setzt durch, dass den reichsten zehn Prozent nicht mehr als 40 Prozent des jeweiligen Nationaleinkommens zusteht. Vermögenssteuern werden eingeführt und Steueroasen geschlossen. Industrien leisten eine Zahlung für die Nutzung gemeinsamer Ressourcen.
Das zweite Szenario, bei dem „zu wenig, zu spät“ passiert, handelt von einer Entwicklung, die weltweit der im Zeitraum zwischen 1980 und 2020 ähnelt. Hier wächst die Ungleichheit, die in vielen Regionen zum Aufstieg von Populismus und Autoritarismus führt. Der wirtschaftliche Abstand zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Regionen vergrößert sich dem zweiten Szenario zufolge. Extreme Armut nimmt zu. Wohlstand gibt es noch privat, während Staaten einer strikten Sparpolitik folgen. Klimamigration nimmt zu, Pandemien häufen sich. 2050 überschreitet die Erderwärmung die Zwei-Grad-Grenze.
„Zu wenig, zu spät“
Der Club of Rome ist ein Zusammenschluss von Fachleuten verschiedener Disziplinen und Länder. Die Gründer hatten 1965 bei einem Treffen in Rom eine „selbstmörderische Ignoranz“ als Ursache für den „Irrweg der Menschheit“ identifiziert. 1972 erschien die von der Gruppe in Auftrag gegebene Studie „Die Grenzen des Wachstums“. Der viel beachtete Bericht warnte, wenn das Wachstum von Bevölkerung, Wirtschaft und Konsum ungehindert weitergehe, drohe Mitte des 21. Jahrhunderts die Katastrophe, Nahrungsmittel und Ressourcen würden schwinden.
Zukunftsforscher Randers, damals wie heute Ko-Autor des Club-of-Rome-Berichts, geht von einem „zu wenig, zu spät“-Szenario aus. Die kommenden Generationen müssten vermutlich in einer Welt leben, die viel weniger attraktiv sei als die, die bei Gegenmaßnahmen erreicht würde. Er werde aber weiter hart daran arbeiten, die Reichen der Welt zu überzeugen, jährlich zwei bis vier Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts zu bezahlen. Denn mit diesem Geld könnten alle Probleme gelöst werden. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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