Nebenan
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
In Great Britain reicht offensichtlich schon die Andeutung einer Monarchie-Kritik, um im Knast zu landen - und wir reden über den Iran, oder doch lieber über Böhmermann und Erdoğan?
Von Sven Bensmann Montag, 19.09.2022, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 19.09.2022, 10:09 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Königin ist tot, aber nicht die britische Monarchie. Und auch in Deutschland ist die Monarchie noch nicht ganz tot. Jene inzestuöse Kamarilla, die die braven Bürger von Weimar nicht ihrem historischen Schicksal auf dem Schafott zuführen wollten und die sich darin bedankte, „dem Nationalsozialismus in Deutschland erheblich Vorschub zu leisten“ (anwaltlich für: Kumpanei mit den und Werbung für die Nazis), will heute beispielsweise die vom Steuerzahler teuer renovierten und instandgehaltenen Schlösser zurück, inklusive deren in Jahrhunderten dem Volk gestohlenen Reichtümer.
Einer von Ihnen, der sich als das Oberhaupt der Hohenzollern berufen fühlt, und auf den ich hier im Folgenden zu sprechen kommen möchte, nennt sich „Prinz von Preußen“. Nennen wir ihn an dieser Stelle republikanischer Traditionen halber einfach „Fritz Preußenmeier“, schließlich ist ein „Meier“ historisch eine Art besserer Hausmeister, der sich um die Verwaltung von Grundbesitz kümmert – in diesem Falle Preußen: Grund im Besitz des preußischen (heute deutschen) Volkes, eines Volkes, dass sich unglücklicherweise seinen Verwalter jahrhundertelang nicht selbst aussuchen konnte.
Dieser Fritz Preußenmeier meint wohl ernsthaft, dass es ihm doch zustehe, wieder zum deutschen Kaiser gekrönt zu werden. Nicht, dass ich dazu riete, schonmal die Guillotine zu ölen, aber machen wir uns doch mal den Spaß, uns zu überlegen, was das bedeutete und schauen dazu nach England.
„Nicht nur die Polizei scheint sich nämlich mehr dem Königshaus verpflichtet zu fühlen, als dem demokratischen Staat, auch Fußballclubs – und natürlich die üblichen Verdächtigen der faschistoiden Boulevardpresse – haben die Meinungsfreiheit für diese Tage ausgesetzt.“
Mal abgesehen von all den Fragen dazu, was es eigentlich bedeutet, wenn eine Familie es sich auf Steuerzahlerkosten für Millionen von Euros in Luxusimmobilien gut gehen lässt, während andere Bürger hungern, oder was es bedeutet, wenn sich eine Person qua eines imaginierten Geburtsrechts in einer Demokratie herausnimmt, von der demokratischen Regierung erlassene Gesetze erst einmal zu prüfen, bestätigen zu müssen oder gar den demokratischen Führern dieses und anderer Länder „Audienzen“ zu gewähren, in denen sie schamlos im eigenen Interesse Lobbyismus betreiben kann, zeigt die Situation der vergangenen Woche noch ganz andere Probleme auf.
Nicht nur die Polizei scheint sich nämlich mehr dem Königshaus verpflichtet zu fühlen, als dem demokratischen Staat, auch Fußballclubs – und natürlich die üblichen Verdächtigen der faschistoiden Boulevardpresse – haben die Meinungsfreiheit für diese Tage ausgesetzt.
Es hat in Folge dessen nicht nur ein einfaches Pappschild mit der Aufschrift „Not my King“ („Nicht mein König“) für die Polizei ausreichend Vorwand bedeutet, den betreffenden „Unruhestifter“ zu verhaften (auch einige andere, wie: „Who voted for him?“, also: „Wer hat den eigentlich gewählt?“), und schon die simple Frage, gestellt an einen Polizisten, ob ihn, den Fragesteller, ein solches Schild auch ins Gefängnis bringen würde, wurde von jenem Polizisten mit einer Verhaftung beantwortet. Und selbst ein Fan des Fußballclubs „Preston East End“, der dem Vernehmen nach auf Twitter wohl nur unverbindlich nachgefragt hatte, ob es akzeptabel sei, im Stadion ein Plakat mit einer solchen Aufschrift mitzuführen, wurde dafür direkt auf Lebenszeit vom Stadiongelände verbannt. Die Andeutung, womöglich die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit ausüben zu wollen, landete für diese Menschen im Knast – und wir reden über den Iran?
„Als vor ein paar Jahren Jan Böhmermann den gewählten türkischen Präsidenten auf das Unflätigste beschimpfte, gab es einen Riesenaufschrei und das Gesetz wurde abgeschafft. Die Meinungsfreiheit, so hieß es damals quasi einhellig, sei ein zu hohes Gut.“
Als vor ein paar Jahren Jan Böhmermann den gewählten türkischen Präsidenten auf das Unflätigste beschimpfte, gab es einen Riesenaufschrei und das Gesetz, dass den Präsidenten zuvor vor solcher Beleidigung schützen sollte, wurde abgeschafft. Die Meinungsfreiheit, so hieß es damals quasi einhellig, sei ein zu hohes Gut, als dass es einer einzelnen Person – nicht zuletzt einer demokratisch gewählten Person – geopfert werden dürfe. Dass das Vereinte Königreich vor einer Person, die nicht einmal über die Legitimität einer demokratischen Wahl verfügt, den Kotau macht und die Meinungsfreiheit faktisch aussetzt, ist jedenfalls bedenklich, ungarndemokratiemäßig bedenklich.
An die Vorstellung, Fritzchen Preußenmeier vom flachen Ende des Genpools nicht einmal als „nicht meinen Kaiser“ bezeichnen zu dürfen, ohne zu erleben, wie so eine Gefängniszelle eigentlich von innen aussieht, sollte sich daher jeder gewöhnen, der oder die einmal ernsthaft gefragt würde, ob Deutschland eine konstitutionelle oder sonstwie geartete Monarchie werden solle. Ich für meinen Teil bleibe jedenfalls dabei: Egal ob von Hohenzollern, von Storch oder von Drüben: Müsste ich entscheiden, wohin mit den sogenannten „Adeligen“, dann grundsätzlich doch lieber unter das … als zurück in den Palast. (sb/mig) Meinung
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