Studie
Antimuslimische und antisemitische Einstellungen verbreitet
Antimuslimische sowie antisemitische Einstellungen sind in Deutschland kein Randphänomen, sondern bei Menschen mit und ohne Migrationserfahrung durchaus verbreitet. Dabei manifestieren sich die Ressentiments jedoch unterschiedlich, wie aus einer Studie hervorgeht.
Mittwoch, 05.10.2022, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 05.10.2022, 17:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Antimuslimische und antisemitische Einstellungen sind einer Studie zufolge in Deutschland weit verbreitet. Wie aus einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten Untersuchung des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) hervorgeht, sind solche Ressentiments bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte etwas häufiger zu finden als bei der Bevölkerung ohne Migrationserfahrung.
So haben Ressentiments gegenüber Muslimen in den vergangenen zehn Jahren insgesamt zwar abgenommen, sie sind aber weiterhin erkennbar. Noch größer ist die Skepsis gegenüber dem Islam als Religionsgemeinschaft an sich. „Das gilt vor allem für Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht selbst dem muslimischen Glauben angehören. Nur knapp 43 Prozent von ihnen sagen, dass der Islam in die deutsche Gesellschaft passt. Bei den Befragten ohne Migrationshintergrund sagen dies mehr als die Hälfte“, so Nora Storz, Co-Autorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim SVR.
Weniger Antisemitismus bei Schulbesuch in Deutschland
Insgesamt vertraten den Angaben zufolge zwischen 10 und gut 50 Prozent der Befragten antisemitische Einstellungen – je nach Bevölkerungsgruppe und Form von Antisemitismus. Unterschieden wurde zwischen klassischem, sekundärem und israelbezogenem Antisemitismus. Bei antiislamischen und antimuslimischen Einstellungen waren es zwischen einem Drittel und fast der Hälfte der Befragten.
Für die Studie wurden auf Grundlage des SVR-Integrationsbarometers 2020 die Menschen mit Migrationshintergrund gesondert in den Fokus genommen. Wer einen sogenannten Migrationshintergrund hat und in Deutschland die Schule besuchte, ist demnach seltener antisemitisch und antimuslimisch eingestellt. „Das liegt unter anderem daran, dass der Holocaust im deutschen Lehrplan eine zentrale Stellung einnimmt. Eine verstärkte Aufklärung über den Holocaust ist deshalb auch im Rahmen integrationspolitischer Maßnahmen sinnvoll – zum Beispiel bei Neuzugewanderten im Rahmen der Orientierungskurse.“, erklärt Jan Schneider, Leiter des wissenschaftlichen Stabs des SVR.
Antisemitische Einstellungen bei Türken und Arabern
Nur bei den Befragten mit türkischen Wurzeln habe es in Bezug auf antisemitische Einstellungen keine Rolle gespielt, wo sie die Schule abgeschlossen hätten. Aus dieser Gruppe habe mehr als die Hälfte der Befragten „eher“ oder „voll und ganz“ die Ansicht vertreten, dass Juden auf der Welt zu viel Einfluss hätten. Bei den Befragten mit Migrationshintergrund aus der übrigen Welt seien es vier von zehn gewesen.
„Nach Auswertung der Daten gehen wir davon aus, dass antisemitische Einstellungen unter türkeistämmigen Musliminnen und Muslimen zum Teil religiös-theologisch begründet sind. Die Haltung von arabischstämmigen Zugewanderten ist dagegen eher auf das politisch-gesellschaftliche Narrativ im Herkunftsland zurückzuführen. Hier spielt der Nahostkonflikt eine nicht unbedeutende Rolle“, berichtet Dr. Nils Friedrichs, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim SVR und Co-Autor der Studie.
Diskriminierung beeinflusst antisemitische Einstellung
Zudem sei deutlich geworden, dass auch Diskriminierungserfahrungen zum Tragen kämen. „So neigen Menschen mit Migrationshintergrund, die sich aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert fühlen, häufiger zu antisemitischen Einstellungen als Menschen, die eine solche Diskriminierung nicht erfahren haben. Jene hingegen, die sich wegen ihrer Religion benachteiligt sehen, zeigen eher antimuslimische Einstellungen“, so Dr. Friedrichs.
Um Vorurteile abbauen zu können, ist den Forschenden zufolge der Kontakt von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion besonders wichtig. „Der interkulturelle und interreligiöse Austausch sollte deshalb vor allem mit Hilfe niedrigschwelliger Angebote etwa auf kommunaler Ebene gefördert werden, gerade unter jungen Menschen“, erläutert Schneider. Auch die Religionsgemeinschaften spielten hier eine wichtige Rolle. Muslimische Gemeinschaften könnten etwa dadurch einen Beitrag leisten, dass sie in Deutschland ausgebildete Imame einstellen. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel
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