Klimagipfel-Analyse
Der lange Weg zum Fonds für Klimaschäden
Es ist ein Kompromiss. Die wirklich strittigen Punkte beim Fonds für klimabedingte Schäden mussten vertagt werden. Dennoch gilt die Einigung auf dem Klimagipfel von Scharm el Scheich als Erfolg.
Von Mey Dudin Sonntag, 20.11.2022, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 20.11.2022, 11:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Viele Jahre haben sich die reichen Industrieländer gesträubt. Nun wurde bei der Weltklimakonferenz ein Fonds beschlossen, aus dem ärmere Länder Ausgleichszahlungen erhalten, wenn sie von klimabedingten Zerstörungen betroffen sind. Die Delegierten aus fast 200 Ländern konnten sich im ägyptischen Scharm el Scheich zwar lediglich auf ein Bekenntnis dazu einigen. Starten soll der Fonds erst auf dem nächsten Klimagipfel in einem Jahr. Dennoch gilt schon das als Erfolg.
UN-Generalsekretär António Guterres nannte den Beschluss einen „wichtigen Schritt zur Gerechtigkeit“. Auch wenn das allein nicht ausreichen werde, sei es „ein dringend benötigtes politisches Signal, um gebrochenes Vertrauen wieder aufzubauen“, erklärte er über die Onlineplattform Twitter.
Fonds ohne Haftungsanspruch
Entwicklungsländer fordern einen solchen Fonds für „Schäden und Verluste“ schon seit vielen Jahren. Im englischen Konferenz-Jargon wird von „Loss and Damage“ gesprochen. Das Prinzip dahinter ist, dass Industrieländer, die den Klimawandel verursacht haben, Geld einzahlen. Ärmere Länder, die besonders unter den Folgen der Erderwärmung leiden, sollen darauf zugreifen können. Das gilt im Fall von Katastrophen oder auch bei schleichenden Entwicklungen wie bei einer Versalzung ganzer Landstriche durch steigende Meeresspiegel. Das Verursacherprinzip ist den Entwicklungsländern wichtig, damit die Gelder nicht als Almosen betrachtet werden, sondern als gerechten Ausgleich.
Doch gerade die USA, zusammen mit China die größten Emittenten von klimaschädlichen Treibhausgasen, hatten sich bis zuletzt gegen den Fonds gesträubt. Sie fürchteten: Wenn sie sich dazu bekennen, für die Erderwärmung mitverantwortlich zu sein, könnten Betroffene vor US-Gerichte ziehen und teure Entschädigungen erstreiten. Bevor das Thema zu Beginn des Gipfels auf die Agenda genommen wurde, musste daher laut informierten Kreisen auf dem Klimagipfel noch einmal explizit gesagt werden, dass dies keinen Anlass für Haftungsansprüche gebe.
Unerbittliches Gegenüber bis zum Schluss
Es dauerte bis zur Gipfelverlängerung, um eine Einigung zu erreichen. Noch am Ende der zweiten Verhandlungswoche standen sich Industrieländer und Entwicklungsländer unerbittlich gegenüber. Entwicklungsländer pochten auf einen zentralen Fonds, die Industriestaaten wollten einen Mix aus bereits bestehenden und neuen Maßnahmen, darunter Versicherungen, wie es auch der von Deutschland mitinitiierte „Schutzschirm gegen Klimarisiken“ vorsieht. Der ägyptische Gipfelpräsident Samih Schukri bat schließlich die deutsche Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan, und die chilenische Umweltministerin Maisa Rojas, Möglichkeiten für einen Kompromiss auszuloten.
Am späten Donnerstagabend signalisierte die Europäische Union, dass sie einem Fonds unter zwei Bedingungen zustimmen würde: Das Geld dürfe erstens gezielt nur an die am meisten durch die Erderwärmung bedrohten Staaten fließen. Zweitens sollten neben den Industriestaaten auch andere Länder mit hohem Ausstoß von Treibhausgasen wie China Geld einzahlen. Die Europäer befürchten, dass China auch Gelder aus dem Fonds erhalten könnte. Denn im UN-Rahmenübereinkommen zum Klimawandel aus dem Jahr 1992 zählt das Land zur Gruppe der Entwicklungsländer.
Info: Die Erderwärmung raubt weltweit Millionen Menschen ihren Lebensraum und treibt sie in die Flucht. Der Klimawandel und seine Folgen gehören inzwischen mit zu den größten Fluchtursachen. Schätzungen zufolge könnte der Klimawandel bis zum Jahr 2050 weltweit bis zu 140 Millionen Menschen in die Flucht treiben aufgrund von Dürren, schweren Stürmen oder anderen Naturkatastrophen.
Vertagung strittiger Fragen
Doch der europäische Vorschlag stieß auf breite Empörung, weil er viele Länder ausschließen würde. Genannt wurde das Beispiel Pakistan: Dort hat im Sommer extrem starker Monsunregen eine der weltweit schwersten Überschwemmungen seit Jahren ausgelöst. Zeitweise lag ein Drittel des Landes unter Wasser, etwa 33 Millionen Menschen waren direkt von der Flut betroffen. Doch Pakistan würde nach dem EU-Modell nicht von einem „Loss and Damage“-Fonds profitieren.
Am Ende brachte am frühen Sonntagmorgen, zwei Tage nach dem vorgesehenen Konferenzende, eine Vertagung der besonders strittigen Fragen den Durchbruch. Ein Komitee wird nun Vorschläge bis zur nächsten Klimakonferenz in einem Jahr in Dubai erarbeiten. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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