Rechtsextreme Parallelgesellschaften
Bündnis demonstriert gegen Neonazi-Zentrum
Seit fast 15 Jahren demonstrieren in Eschede bei Celle Menschen gegen einen Treffpunkt von Rechtsextremisten - mehrmals im Jahr. So auch am Samstag. Bundesinnenminister Faeser kündigt harte Gangart an, Thüringens Innenminister wirbt für AfD-Verbot.
Sonntag, 18.12.2022, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 18.12.2022, 12:20 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Rund 120 Menschen haben am Samstag im niedersächsischen Eschede gegen einen Treffpunkt von Rechtsextremisten demonstriert. Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sagte zum Auftakt am Bahnhof des Ortes bei Celle, die Gefahr durch Rechtsextremisten sei nicht zu unterschätzen. Das zeige sich spätestens seit den Durchsuchungen in der „Reichsbürger“-Szene auch in Niedersachsen.
Zur Kundgebung hatte das „Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus“ aufgerufen, ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Initiativen wie den „Omas gegen Rechts“. Die Demonstranten versammeln sich regelmäßig in Eschede, wenn auf einem Hof der NPD in dem Ort Rechtsextremisten etwa zu „Sonnwendfeiern“ zusammenkommen könnten. Hamburg würdigte dieses langjährige Engagement. „Wir sind Ihnen dankbar dafür, dass sie für unsere Werte, für Demokratie und ein vielfältiges Niedersachsen eintreten“, sagte die Politikerin.
Immobilie Treffpunkt seit 30 Jahren
Die Demonstranten zogen mit einem Banner mit der Aufschrift „Bunte Vielfalt statt braune Einfalt“ mehrere Kilometer durch den Ort und zuletzt über einen Feldweg bis kurz vor den Hof. Bei einer Zwischenkundgebung sagte der Lüneburger evangelische Regionalbischof Stephan Schaede: „Die Kirche tritt für eine bunte Gesellschaft ein, gegen Neonazis.“ Er warb für eine offene Gesellschaft: „Der tödliche Virus der Intoleranz darf in unserem Land nicht herrschen.“
Der NPD-Landesverband Niedersachsen hatte den Hof 2019 von seinem Mitglied Joachim Nahtz gekauft. Die Immobilie ist seit mehr als 30 Jahren ein Treffpunkt verschiedener rechtsextremistischer Organisationen. Initiativen gegen Rechtsextremismus aus der Region demonstrieren seit fast 15 Jahren immer wieder gegen die Treffen, die nach ihrer Einschätzung der Vernetzung der rechten Szene dienen. Sie befürchten, es könnte erneut ein Schulungszentrum von Rechtsextremisten entstehen, das es in der Vergangenheit in der Region bereits gegeben hat.
Faeser: Rechtsextreme Parallelgesellschaften
Derweil hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach der Razzia in der „Reichsbürger“-Szene ein weiter strenges Vorgehen gegen Extremisten angekündigt. „Wir werden unsere harte Gangart gegen Staatsfeinde fortsetzen“, sagte Faeser der „Welt am Sonntag“ und betonte: „Wir werden noch mehr finden.“
Es gebe mittlerweile bis hinein in vermeintlich bürgerliche, wohlhabende Milieus Parallelgesellschaften „mit Menschen, die sich in ihrer Verachtung für unsere Demokratie radikalisiert haben, die Verschwörungsideologien und Umsturzfantasien anhängen und vor Gewalt nicht zurückschrecken“, erklärte die Innenministerin weiter.
Faeser für schärfere Waffengesetze
Sie sprach sich erneut für schärfere Waffengesetze aus: „Wir müssen Extremisten mit aller Konsequenz die Waffen entziehen, dafür will ich das Waffenrecht ändern.“ Nötig sei ein intensiverer Informationsaustausch „zwischen den Waffen- und den Sicherheitsbehörden, sowie künftig auch mit den Gesundheitsämtern“, sagte Faeser: „Wenn Erkenntnisse vorliegen, dass jemand psychisch krank und gefährlich ist, darf er keinen Waffenschein bekommen oder müssen Waffen entzogen werden.“
Personen, die bereits einen Waffenschein haben, sollten regelmäßiger überprüft werden, forderte die Ministerin: „Was wir darüber hinaus verbieten wollen, sind halbautomatische Waffen, die Kriegswaffen ähneln. Es ist doch klar: Niemand sollte privat diese Waffen besitzen.“
Thüringens Innenminister Maier wirbt für AfD-Verbot
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) fordert nach den Festnahmen von AfD-Mitgliedern im Zusammenhang mit Umsturzplänen von „Reichsbürgern“ die Vorbereitung eines AfD-Verbots. Die in Thüringen als rechtsextremistisch eingestufte Partei erfülle eindeutig einige Kriterien, die Grundlage für ein Parteiverbot seien, sagte Maier der „tageszeitung“. Die AfD sei „klar verfassungsfeindlich“ und verheimliche kaum noch, die freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen zu wollen.
Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil zur NPD verschiedene Kriterien für ein Parteiverbot festgelegt, sagte Maier. Dazu gehöre, dass die entsprechende Partei wesentliche Prinzipien des Grundgesetzes ablehne. Hinzu komme die Relevanz, also dass die Partei die Möglichkeit habe, ihre Ziele umzusetzen. Auch müsse sie eine aggressiv-kämpferische Haltung an den Tag legen. All das sollte man jetzt auch für die AfD zusammentragen. In Thüringen ist der Landesverband der AfD als gesicherte rechtsextreme Bestrebung eingestuft. (epd/mig) Aktuell Panorama
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