Rechtsextremismus
Prozess zu brutalem Überfall vor Erfurter Staatskanzlei gestartet
Tritte und Schläge gegen Kopf und Körper: Fünf Erfurter müssen sich seit Donnerstag vor dem Landgericht wegen des Angriffs auf 14 Menschen im Juni 2021 verantworten. Der Prozess soll auch ein mutmaßlich rechtsextremistisches Motiv klären.
Donnerstag, 12.01.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.01.2023, 15:25 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Vor dem Landgericht Erfurt hat am Donnerstag der Prozess um den Überfall auf Passanten vor der Thüringer Staatskanzlei im Juni 2021 begonnen. Den fünf Angeklagten im Alter zwischen 27 und 30 Jahren werden insgesamt sieben unterschiedliche Tatkomplexe zur Last gelegt. Angeklagt sind sie unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Nötigung, schwerer Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Diebstahl, wie die Staatsanwaltschaft zu Prozessbeginn vortrug.
Die mutmaßlichen Täter hätten bewusst schwere Verletzungen ihrer 14 identifizierten Opfer in Kauf genommen. Zur Anklage gebracht wurden wahllose Tritte ins Gesicht und auf den Körper von Menschen, die an dem Juniabend friedlich auf der Grünfläche vor der Thüringer Staatskanzlei gesessen hätten. Mehrfach seien Opfer mit Faustschlägen traktiert und niedergeschlagen worden. Zum Teil seien die Geschädigten regungslos liegen geblieben. Die Täter hätten ihre Attacken auch dann noch fortgesetzt.
Schädelhirntraumata bei mehreren Opfern
Mehrere Opfer hätten Schädelhirntraumata, in einem Fall eine Gesichtsfraktur, dazu Schwellungen, blutende Wunden und zum Teil bis heute anhaltende psychische Schäden erlitten. Einige Opfer würden bis heute größere Menschenmengen meiden. In einem Fall habe ein Opfer im Krankenhaus behandelt werden müssen, andere Geschädigte seien wochenlang krankgeschrieben worden.
Als wesentliches Mittel zur Aufklärung der Taten erwies sich laut Anklage die Videoüberwachung auf dem Platz vor der Staatskanzlei. Es sei den Ermittlern damit gelungen, jeden einzelnen aufgezeichneten Schlag den konkreten Tatverdächtigen zuzuordnen. Zu den Opfern der Täter habe auch ein Polizeibeamter gehört. Beim Versuch, einen Täter festzunehmen, sei er von drei weiteren Angeklagten attackiert worden.
Opferhilfsorganisation hofft auf Aufklärung rechter Motive
Erste Angeklagte räumten vor Gericht eine Tatbeteiligung ein. Die Schlägerei habe sich aus einer verbalen Auseinandersetzung zwischen der Täter- und der Opfergruppe entwickelt. Zudem sei auf der Seite der Täter Alkohol im Spiel gewesen. Hinweise auf ein politisches Motiv gaben die Angeklagten dabei nicht. Ein Täter entschuldigte sich bei den Opfern.
Die Thüringer Opferhilfsorganisation Ezra verbindet mit dem Prozess die Erwartung, dass ein rechtes Tatmotiv im Rahmen der Verhandlung klar herausgearbeitet werde. Bereits in Zeugenaussagen eines vorausgegangenen Prozesses habe ein Polizeibeamter bestätigt, dass die Beschuldigten sich teilweise selbst als rechtsnational bezeichneten. „Wir sind alle irgendwie rechts orientiert. Doch das hatte mit der Schlägerei nichts zu tun“, sagte ein Angeklagter.
Ezra: Angeklagte gehören der Neonaziszene an
Bereits in vorausgegangenen Verhandlungen gegen weitere Täter des Vorfalls habe das rechte Tatmotiv in den Urteilsbegründungen jedoch kaum eine Rolle gespielt, kritisierte Ezra. Einige der Angeklagten sind Ezra-Angaben zufolge der militanten organisierten Neonaziszene zuzuordnen. Teilweise sei gegen sie Vergangenheit auch schon bei anderen rechten Angriffen ermittelt.
Der ermittelnde Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen sagte am Rande der Verhandlung: „Wir hoffen, dass wir im Verlauf des Prozesses eine Antwort auf diese Frage erhalten“. Für den Prozess sind zunächst elf Prozesstage angesetzt. Ein Urteil fällt frühestens im März. (epd/mig) Aktuell Panorama
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