Stromkrise in Südafrika
Bis zu elfeinhalb Stunden gehen die Lichter aus
Ampeln fallen aus, Krankenhäuser müssen ihre Operationen verschieben. Was bei uns einer Katastrophe gleichkommen würde, ist in Südafrika seit 14 Jahren Alltag. Die Probleme sind größtenteils hausgemacht, doch eine Lösung ist nicht in Sicht.
Von Helena Kreiensiek Montag, 30.01.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.01.2023, 16:00 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
„Am Anfang war der Strom immer nur ein paar Stunden weg“, erzählt Luke McGillewie. „Das war fast schon wie eine willkommene Erinnerung, sich auch ein bisschen Zeit offline einzuräumen.“ Doch mittlerweile bestimmen Stromausfälle den Alltag in Südafrika. Der Blick auf die App, in der mitgeteilt wird, wann wieder die Lichter ausgehen, ist längst Teil der morgendlichen Routine.
Der 28-Jährige betreibt ein kleines Gästehaus in der Nähe von Kapstadt. Um nicht ständig im Dunkeln zu sitzen, hat er die Unterkunft so umgebaut, dass sie von der staatlichen Stromversorgung unabhängig ist. Dieselgeneratoren, Solaranlagen, Gas oder Batterien: Wer es sich leisten kann in Südafrika, investiert in solche Alternativen. Für Unternehmen, die funktionieren wollen, sind sie ein Muss.
Bis zu elfeinhalb Stunden pro Tag muss die Bevölkerung teils ohne den Strom des staatlichen Energiekonzerns Eskom auskommen. Stunden, in denen Ampeln nicht funktionieren, die Lichter ausgehen, Kliniken teilweise ihre Operationen verschieben müssen und viele Läden ihre Türen geschlossen halten.
Stromausfälle seit 14 Jahren
„Seit etwa 14 Jahren kommt es bereits zu Stromausfällen, aber die Krise hat 2022 ihren Höhepunkt erreicht. Da ist an rund 200 Tagen der Strom phasenweise abgestellt worden“, sagt der Leiter des Südafrika-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, Gregor Jaecke. Notwendig sind die Abschaltungen, damit das System nicht überlastet wird. Denn der Energiebedarf ist höher als das, was die wenigen und vielfach maroden Kraftwerke produzieren können.
Dabei können viele Menschen es sich nicht leisten, sich von der staatlichen Stromversorgung unabhängig zu machen, wie es McGillewie getan hat. „Die Stromkrise hat die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer gemacht“, sagt Jaecke. Die Ärmsten der Armen hätten nicht die Gelegenheit, sich mit Batterien und Generatoren auszustatten.
Staatskassen geplündert
Die Gründe für die Energiekrise sind laut dem Büroleiter der CDU-nahen Stiftung hausgemacht. „Eskom war Anfang der 2000er noch ein international vorzeigbares Unternehmen. Heute ist aus dem Musterkind ein Selbstbedienungsladen der politischen Elite geworden“, sagt er. Politisches Versagen, Korruption und Vetternwirtschaft hätten das Staatsunternehmen herabgewirtschaftet.
Insbesondere unter der Präsidentschaft Jacob Zumas von 2009 bis 2018 wurden die Staatskassen in Südafrika systematisch geplündert. Eines der großen Opfer dieser Zeit war Eskom. Durch unrechtmäßige Zahlungen in Milliardenhöhe und die Vergabe von Schlüsselpositionen an Freunde Zumas erlitt der Staatskonzern einen enormen Schaden. Zudem wurden Wartungsarbeiten vernachlässigt und der Energiesektor nicht weiterentwickelt.
Mordanschlag
Doch auch jetzt sind die Wogen bei Eskom nicht geglättet. Anfang Januar wurde bekannt, dass Geschäftsführer André de Ruyter im Dezember nur knapp einen Mordanschlag überlebte. Nach eigenen Angaben war ihm die giftige Substanz Zyanid in den Kaffee gemischt worden. Die genauen Hintergründe des Anschlags sind nicht bekannt.
Vor drei Jahren hatte der 52-jährige Südafrikaner das Amt als Geschäftsführer angetreten, um des Missmanagements in dem krisengeschüttelten Unternehmen Herr zu werden. Er gilt als Korruptionsgegner und weigerte sich, Wartungsarbeiten weiter aufzuschieben. Immer wieder geriet er mit Energieminister Gwede Mantashe aneinander, einem engen Parteifreund des amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa. Frustriert von der fehlenden politischen Rückendeckung Ramaphosas kündigte de Ruyter im Dezember seinen Rücktritt für Ende März an.
Mehrere Krisen
„Südafrika sieht sich momentan mit mehreren, sich überlappenden Krisen konfrontiert“, sagt Jaecke. Die Regierungspartei ANC sei wegen interner Grabenkämpfe zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie sich um die dringend notwendigen Reformen kümmern könne. Doch der Frust in der Bevölkerung steigt, die Proteste häufen sich.
Gästehaus-Besitzer McGillewie bleibt derweil trotz der anhaltenden Probleme optimistisch. „Wir Südafrikaner haben gelernt, uns selbst zu helfen“, sagt er. „Wir sind widerstandsfähig und werden gestärkt aus dieser Situation hervorgehen, auch wenn es eine Weile dauern wird.“ (epd/mig) Aktuell Ausland
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