1.022 Euro für 20 Quadratmeter

Mietabzocke in kommunalen Flüchtlingsheimen

Mehr als tausend Euro sollten zwei Ukrainerinnen für ein 20m²-Zimmer mit Gemeinschaftsbad und -küche zahlen. Mietwucher in Flüchtlingsheimen ist keine Ausnahme, kritisiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Dienstag, 31.01.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 01.02.2023, 6:17 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Im Sommer 2022 forderte die Gemeinde Apensen von zwei Ukrainerinnen für ein gemeinsam genutztes, knapp 20-Quadratmeter-Zimmer jeweils 511 Euro Warmmiete. Bad und Küche teilten sich die beiden Frauen mit den sieben anderen Bewohner:innen des Hauses. Die Forderung schlug hohe Wellen und sorgte für Empörung, nachdem die lokale „Kreiszeitung Wochenblatt“ darüber berichtet hatte. Wie jetzt die ebenfalls lokale „Stader Tageblatt“ berichtet, könnte die Miete jetzt sogar noch höher ausfallen.

Apensens Ordnungsamtsleiter Edgar Rot erklärte gegenüber der Zeitung, dass die Forderungen möglicherweise noch nicht einmal gedeckt seien. Man befände sich „in der Gebührenkalkulation“, so Rot gegenüber der Zeitung. Deshalb könne die Gemeinde eine neue Gebührensatzung beschließen, die noch höhere Mietforderungen ermöglicht.

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Hohe Mietforderungen keine Ausnahme

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hält die Forderungen bereits jetzt für sittenwidrig und fordert Gebührensenkung. Die Kommunen verfügten über weitgehende Spielräume bei der Ausgestaltung der Satzungen. „Zudem könnten die Kommunen bei der Gebührenbemessung soziale Gesichtspunkte berücksichtigen“, erklärt Flüchtlingsrat-Referent Muzaffer Öztürkyılmaz.

Von dieser Freiheit machen die Kommunen jedoch kaum Gebrauch, wie eine Auswertung des Flüchtlingsrats zeigt. Demnach zahlen Geflüchtete in der Stadt Burdorf je nach Unterkunft monatlich bis zu 854,90 Euro für einen Schlafplatz. In Garbsen müssten Schutzsuchende für die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft bis zu 849,90 Euro zahlen. Hemmingen verlange für einen Platz in einem Mehrbett-Container im Gewerbegebiet 490,22 Euro; Lehrte fordere bis zu 579,60 Euro und in Neustadt am Rübenberge müssten Betroffene jeden Monat bis zu 681,31 Euro hinlegen. Auch in Hannover kommen Geflüchtete dem Flüchtlingsrat zufolge mit monatlich 411,00 Euro teuer weg. Wer seine vierköpfige Familie dabei habe, zahle in der Landeshauptstadt für einen Platz in einem Geflüchtetenheim 717 Euro Miete pro Monat.

Flüchtlingsrat beklagt Mietwucher

Öztürkyılmaz sieht die Landesregierung in der Pflicht, den „Kommunen hinsichtlich der Höhe der Gebühren konkrete Vorgaben zu machen“. Er fordert klare und verbindliche Regelungen, die sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete für Sozialwohnungen orientieren. Bei den immer wieder beklagten, Gebührenforderungen von Kommunen für die Nutzung von Plätzen in Sammelunterkünften handele es aus sich des Flüchtlingsrats um „Mietwucher“.

In Bayern hatte der Verwaltungsgerichtshof im Mai 2021 in einem ähnlichen Fall die Gebührenordnung kassiert. Dort wurden landesweit einheitlich 355,14 Euro für ein Einzelzimmer gefordert. Die Richter sahen darin ein auffälliges Missverhältnis von Vermögensvorteil und Leistung. Im Beschluss des Gerichts heißt es: Die geforderten Gebühren für Zimmer in Flüchtlingsheimen könnten den Straftatbestand des Mietwuchers oder gar des Betruges erfüllen. (mig) Leitartikel Panorama

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