„Hunger als Waffe“
Humanitäre Hilfe in Afghanistan soll teilweise ausgesetzt werden
Die Taliban haben es afghanischen Frauen verboten, bei Hilfsorganisationen zu arbeiten. Außenministerin Baerbock will Konsequenzen ziehen und bestimmte humanitäre Hilfsleistungen für Afghanistan stoppen. Dagegen hagelt es Kritik.
Von Natalia Matter und Mey Dudin Mittwoch, 01.02.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 01.02.2023, 10:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach dem in Afghanistan von den radikalislamischen Taliban verhängten Beschäftigungsverbot für Frauen bei Hilfsorganisationen zieht Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Konsequenzen. Wie der „Evangelische Pressedienst“ am Dienstag aus dem Bundestag erfuhr, sollen bestimmte humanitäre Hilfsleistungen ausgesetzt werden, konkret im Bereich der Ernährungssicherung.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte dem epd, für das Ministerium spiele eine wichtige Rolle, „dass humanitäre Hilfe in Sektoren und Regionen, die vom Arbeitsverbot für Frauen betroffen sind, in der Regel nicht im Einklang mit den humanitären Prinzipien der Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität erfolgen kann“. Wie das internationale Engagement in Afghanistan künftig konkret aussehen werde, sei Gegenstand laufender Abstimmungen. Eine vollständige Aussetzung der humanitären Hilfe für Afghanistan stehe nicht zur Debatte.
Die Taliban hatten das Beschäftigungsverbot für Frauen während der Weihnachtstage erlassen. Die medizinische Hilfe ist von den Beschränkungen ausgenommen. International sorgte das Verbot für scharfe Kritik. Viele Organisationen stellten ihre Arbeit vorerst ein. In dem Land am Hindukusch herrscht aktuell eine beispiellose humanitäre Krise. Mehr als 28 Millionen der etwa 43 Millionen Einwohner sind auf Unterstützung angewiesen, um überleben zu können. Sechs Millionen Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen an der Schwelle zu einer Hungersnot.
SPD: Hilfe-Stopp würde Frauen und Kinder schaden
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich warnte daher dringend vor einer Aussetzung von Hilfen. „Deutsche Hilfsleistungen zu stoppen, würde den Frauen und Kindern vor Ort massiv schaden“, sagte sie dem epd. „Afghanische Frauen und ihre Familien dürfen nicht doppelt von dem Unrecht der Taliban bestraft werden.“
Heinrich bezeichnete das Beschäftigungsverbot als „Ausdruck einer zynischen Missachtung der Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung durch die Taliban“. Sie fügte hinzu: „Auch wenn wir uns eine andere politische Realität in Afghanistan wünschen, geht es prioritär darum, die Menschen in einer der schlimmsten humanitären Krisen auf der Welt nicht alleine zu lassen.“
Linke: Baerbock setzt Hunger als Waffe ein
Gleichzeitig forderte die SPD-Abgeordnete, dass diplomatischer Druck auf die Taliban ausgeübt wird, um sie „kurzfristig zu Ausnahmeregelungen und mittelfristig zur Rücknahme ihrer frauenfeindlichen Entscheidungen zu bewegen“. Die Beschäftigungs- und Ausbildungsverbote von Frauen müssten mit allen Mitteln aufgehoben werden. „Maßgabe jeder feministischen Außenpolitik muss sein, die Frauen, in diesem Fall in Afghanistan, unter keinen Umständen im Stich zu lassen“, betonte Heinrich.
Die Linken-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dağdelen, sagte auf Anfrage: „Außenministerin Baerbock setzt hier ganz bewusst Hunger als Waffe gegen Afghanistan ein. Es ist ein politischer sowie moralischer Offenbarungseid der deutschen Außenpolitik, vermeintlich im Namen der Frauenrechte.“
Hilfswerk: Man sollte Gesprächen eine Chance geben
Die Sprecherin der Welthungerhilfe, Simone Pott, bezeichnete die Lage in Afghanistan als „sehr volatil“. Sie hoffe, dass die Hilfe nicht kategorisch eingestellt werde. „Man sollte den Gesprächen im Hintergrund eine Chance geben“, sagte sie mit Blick auf die internationalen Versuche, auf die Taliban einzuwirken.
Vor wenigen Tagen hatte der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärt, dass er in Bezug auf die Arbeit afghanischer Frauen in Hilfsorganisationen „ermutigende Antworten“ erhalten habe. Die Taliban hätten ihm gesagt, sie seien dabei, neue Richtlinien zu erarbeiten. (epd/mig) Aktuell Politik
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