Ministerium
Länder schöpfen Geflüchteten-Unterkünfte des Bundes nicht aus
Länder und Kommunen schlagen Alarm, fordern vom Bund mehr Hilfe für die Unterbringung von Geflüchteten. Wie eine Übersicht des Ministeriums jetzt zeigt, nutzen Bundesländer mietfrei überlassene Liegenschaften des Bundes bei der Versorgung von Geflüchteten aber kaum aus. Bayern weist die Kritik zurück.
Dienstag, 07.02.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.02.2023, 7:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Trotz bundesweiter Alarmrufe wegen der Unterbringung von Geflüchteten lassen Länder und Kommunen Unterkünfte des Bundes teilweise ungenutzt. Wie aus einer Übersicht des Bundesinnenministeriums hervorgeht, die dem „Evangelischen Pressedienst“ vorliegt, nutzen die Bundesländer die mietfrei überlassenen Bundesliegenschaften sehr unterschiedlich. Während Thüringen aktuell 96 Prozent der Plätze belegt, nutzt Sachsen nur 18 Prozent davon. Sachsen-Anhalt beansprucht gar kein Angebot des Bundes.
Insgesamt hat der Bund nach Angaben des Bundesinnenministeriums Ländern, Landkreisen und Kommunen 330 Liegenschaften mit insgesamt knapp 68.000 Unterbringungsplätzen überlassen. Belegt sind davon knapp 44.000. Das entspricht einer Auslastung von 64 Prozent.
Angebot und Nutzung der Plätze sind von Land zu Land unterschiedlich. Die meisten Unterbringungsmöglichkeiten – rund 22.500 Plätze – wurden Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt. Das Land nutzt davon 58 Prozent. Das nach Einwohnern drittgrößte Bundesland Baden-Württemberg hat rund 7.000 Plätze in Bundesliegenschaften zur Verfügung und nutzt 85 Prozent davon. Bayern lässt knapp ein Drittel (32 Prozent) von rund 11.000 vom Bund überlassenen Plätzen ungenutzt. Brandenburg schöpft die gut 2.000 vom Bund angebotenen Plätze nicht einmal zur Hälfte (45 Prozent) aus.
Bayern weist Kritik zurück
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hielt am Dienstag bei einer Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung dagegen: Die Zahlen seien im August des vergangenen Jahres bei den Regierungen abgefragt worden, erklärte er. Die Kritik basiere daher auf einer „groben Verfälschung“. Wie ein Sprecher des Ministeriums auf Nachfrage sagte, seien momentan 85 Prozent der Plätze in den Bundesliegenschaften belegt, die für Ankerzentren genutzt würden, und 94 Prozent in bundeseigenen Unterkünften, in denen die Flüchtlinge in Bayern im Anschluss einziehen könnten.
Wenn in einer Unterkunft ein Sechs-Bett-Zimmer mit einer vierköpfigen Familie belegt sei, erklärte der Sprecher, seien das nur rund 66 Prozent Belegung. Außerdem wolle der Freistaat in einem Ankerzentrum nicht mit mehr als 1.500 Personen planen. In Bamberg lebten im Ankerzentrum zwar derzeit 2.300 Menschen. Der Bund gehe aber von einer möglichen Belegung mit 3.400 Asylsuchenden aus.
Herrmann: Es geht nicht nur um ein Dach über dem Kopf
In staatlich geführten Unterkünften für Flüchtlinge seien derzeit in Bayern 170.000 Menschen untergebracht. Die Zahl der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und die Asylbewerber aus anderen Ländern zusammen hätten zu der bisher höchsten Belegung im Freistaat geführt. Herrmann forderte von der Bundesregierung auch mehr finanzielle Mittel. „Denn es geht nicht nur um ein Dach über dem Kopf, sondern um Kita-Plätze, Schulen und Integration in den Arbeitsmarkt.“ Die Integration in den Arbeitsmarkt bezeichnete Herrmann als besonders wichtig. Es erhöhe auch die „emotionale Akzeptanz in der Bevölkerung“, wenn die Migranten selbst für ihr Einkommen sorgen könnten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte kürzlich bekannt gegeben, dass sie in Kürze zu einem erneuten Treffen mit Ländern und Kommunen einladen will, um über die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten zu beraten. Sie hatten zuvor weitere Unterstützung des Bundes, auch durch das Überlassen von Immobilien, gefordert.
Mehr als eine Mio. Geflüchtete aus der Ukraine
Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine waren im vergangenen Jahr viele Geflüchtete aus dem Land nach Deutschland gekommen. Nach den Jahren der Corona-Pandemie war 2022 zudem auch die Zahl Schutzsuchender aus anderen Ländern wieder gestiegen.
Zum Stichtag 4. Februar wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 1,06 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland registriert, etwa 14.500 davon seit Beginn dieses Jahres. Zusätzlich sind im Januar beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge laut dessen Monatsstatistik rund 29.000 Erstanträge auf Asyl eingegangen. Das waren mehr als doppelt so viele als im noch von Corona-Beschränkungen geprägten Januar 2022. Hauptherkunftsländer der Asylsuchenden waren Syrien, Afghanistan und die Türkei. (epd/mig) Aktuell Politik
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