Verwüstet, versucht, vertrieben
Der deutsche Deal mit der schmutzigen Kohle aus Kolumbien
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine importiert Deutschland deutlich mehr Steinkohle aus Kolumbien. Die Ureinwohner der Abbauregion werden vertrieben, ihr Gebiet verwüstet und verseucht. Die Bundesregierung scheint das wenig zu stören.
Von Susann Kreutzmann Montag, 03.04.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.03.2023, 7:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Riesige Krater, Geröllberge – eine Wüstenlandschaft: Die Mine El Cerrejón in Kolumbien zählt zu den größten Steinkohlebergwerken der Welt. Dörfer mussten weichen, Angehörige von Urvölkern wurden zwangsumgesiedelt und Flüsse verseucht – der weltweite Hunger nach Kohle führt zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen im nördlichsten Zipfel des südamerikanischen Landes. Für Deutschland scheint das alles keine Rolle zu spielen: Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben sich die Kohleimporte aus Kolumbien mehr als verdreifacht auf rund 5,7 Millionen Tonnen.
„Die Kohle, die nach Deutschland exportiert wird, steht für Menschenrechtsverbrechen“, sagt die Anwältin Rosa María Mateus. Sie ist enttäuscht, dass Deutschland seine Kohleeinkäufe aus El Cerrejón vervielfacht hat, vor allem, da die Bundesregierung weltweit für einen Kohleausstieg wirbt. Die Juristin unterstützt seit Jahren die Gemeinden der Region bei Klagen gegen Umwelt- und Menschenrechtsverbrechen. Die Bewohner wissen: Die Kohle ist fast nur für den Export. Sie opfern ihre Gesundheit für die Interessen ausländischer Unternehmen.
Mehr als 16 Prozent der 2022 nach Deutschland eingeführten Kohle kamen direkt aus Kolumbien. Im Vorjahr waren es laut dem Verein der Kohleimporteure lediglich sechs Prozent. Zudem bezieht Deutschland auch Kohle aus den Niederlanden, die wiederum zweitgrößter Importeur aus Kolumbien sind.
Kein Wasser, kein Anbau, viele Erkrankungen
El Cerrejón dehnt sich über 69.000 Hektar aus, knapp 100.000 Fußballfelder. Das Bergwerk liegt in La Guajira, einer der ärmsten Regionen des Landes. Während die Lizenzen für den Abbau Millionen in die Staatskasse spülen, lebt die Hälfte der Bevölkerung der Gegend unter der Armutsgrenze. Mehr als 5.500 Kinder des Volkes der Wayúu, das rund um die Mine lebt, sind in den vergangenen fünf Jahren verhungert und verdurstet.
Die Wayúu kämpfen seit Jahren gegen die Zerstörung ihrer Heimat. Sie berichten von Atemwegs- und Hauterkrankungen bei Kindern durch die hohe Feinstaubbelastung. Sie können kein Gemüse anbauen, da die Flüsse mit Quecksilber und anderen Giftstoffen verseucht sind. Auch das Grundwasser wird knapp. Weil die Kohlegewinnung pro Tag etwa 30 Millionen Liter Wasser verbraucht, sind 40 Prozent der regionalen Wasserressourcen aufgebraucht. Eine massive Trockenheit ist die Folge.
Habecks Kolumbien-Reise ohne Bergwerk-Besuch
Jennifer Morgan kennt die Vorwürfe. Die Klimabeauftragte im Auswärtigen Amt und frühere Leiterin der Umweltschutzorganisation Greenpeace sagt, die Kohleimporte seien der aktuellen Lage in Europa geschuldet. Wegen der Sanktionen gegen Russland habe 30 Prozent russischen Gases ersetzt werden müssen. „Wir sind Kolumbien dankbar für die kurzfristige Unterstützung. Das war eine Notfallsituation“, sagt die Staatsministerin.
Bei seinem Besuch in Kolumbien Mitte des Monats versprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das südamerikanische Land bei der Energiewende zu unterstützen. Zu der Kohlemine, woher die kurzfristige Hilfe für die deutsche Energiewirtschaft kommt, reiste er nicht.
Eigentümer der Mine: ein Schweizer Konzern
In El Cerrejón wurde erstmals 1986 Kohle abgebaut. Aktueller Eigentümer der Mine ist der Schweizer Bergbaukonzern Glencore, der 2021 die Anteile von BHP Billiton (Australien/Großbritannien) und Anglo American (Großbritannien) übernommen hat. Bis 2034 darf noch Kohle gefördert werden, so lange reicht die Abbaulizenz. Eine Verlängerung werde es nicht geben, sagt Álvaro Pardo, Direktor der kolumbianischen Bergbauagentur. Schon jetzt würden keine neuen Konzessionen mehr unterzeichnet. „Wir hatten nicht erwartet, jetzt so viel Kohle zu exportieren.“
Kolumbiens neuer Präsident Gustavo Petro möchte die Energiewende einleiten – weg von Gas und Öl. 2050 will Kolumbien CO2-neutral sein. Doch gerade einmal sechs Prozent des Stroms werden derzeit aus erneuerbaren Ressourcen gewonnen, obwohl die Bedingungen dank der Nähe zum Äquator und fast 3.000 Kilometern Küste für Sonnen- und Windenergie besonders gut sind. Auch der Export von Kohle blockiere den Weg Richtung erneuerbare Energien, mahnt Pardo. „Wir müssen die Ausfuhren so bald wie möglich reduzieren.“ (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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